Ein Kater namens Sidi Brahim

Der Heizwert von Cabernet Sauvignon

Es ist kein Wunder, dass bei Blinddegustationen heutzutage die Herkunft der verkosteten Traubensäfte kaum mehr erkannt wird. Immer wieder gibt es Ueberraschungen, wenn sich ein völlig fremder Gast eingeschlichen hat, sich perfekt nach Art der Gastgeber getarnt hat und diese am Schluss bei der Bewertung erst noch haushoch schlägt. Die Herkunft des Saftes spielt aber auch überhaupt keine Rolle, solange noch von den fachkundigen Degustatoren die Herkunft der Eiche zweifelsfrei bestimmt werden kann, in welcher ebendieser Saft geschwommen ist. War es amerikanische Eiche? Allier-Eiche? Oder eine Eiche aus dem Wäldchen hinter Robert Parkers Cottage? Ich habe einmal eine Degustation amerikanischer Chardonnays besucht, die alle "Twin Oaks", "Oak Valley" oder "Okay Doaky" hiessen. Sie schmeckten alle gleich, so wie Coaka Cola weltweit überall gleich schmeckt.
Holz ist heute der geschmackliche Hauptbestandteil aller Weine, die etwas von sich halten, d.h. bei Parker oder im WineSpectator erwähnt werden wollen. Standardmässig werden alle Weine der Welt heute in neuen 225-Liter-Fässern ausgebaut, egal ob es ein Cabernet-Sauvignon, ein Chardonnay oder ein Chasselas ist. Das macht vieles einfacher. Ich bestelle neuerdings die Weine bei meinem Lieblingshändler nicht mehr in Kartons à 12 Flaschen sondern klafterweise. Das erleichtert die Umrechnung für beide Seiten. Der Händler weiss, wie viele Fässer er bestellen muss, und ich weiss, ob der Heizwert der Bestellung über den Winter reicht. Drei Klafter reichen in der Regel, wenn Sie jedoch viele durstige Gäste empfangen, müssen Sie mehr heizen.

Schade nur um die schönen Wälder. Früher hat man wesentlich grössere Fässer gebaut und diese drei, vier mal gebraucht, bevor es neue gab. Heute müssen jedes Jahr neue Barriques her, weil auch mittelmässige Weine aus verregneten Jahren wie Hollywooddiven mit Makeup bis zur Unkenntlichkeit aufgetakelt werden,
bevor man sie auf den Markt wirft. Findige Winzer haben aber unterdessen herausgefunden, dass der Wein nicht unbedingt im Holz schwimmen muss, sondern dass es umgekehrt auch geht. Eichenschnitzel im Jungwein sind sogar im Bordelais schon praktiziert worden. Mit Erfolg: das Verfahren mausert sich nun zum europäischen Standard. Das tut immerhin dem Wald gut.

Aber Holz ist zum Glück heimelig. Higugegl. Es empfiehlt sich auch unbedingt, Rot- oder Weissholz jung zu trinken, wenn diese Holznoten noch dominant sind. Nach fünf Jahren oder später (je nach Imprägnierung) verfliegt dann dieser Geschmack langsam. Altholz schmeckt dann bisweilen womöglich gar nicht mehr nach Vanillepudding, geröstetem Brot und Brombeersirup, sondern nach Wein – igitt! Bei kalifornischem Holz ist das Risiko allerdings gering - mir ist das bisher höchst selten passiert. Ich habe solches zwar auch schon in der Abholzphase getrunken, d.h. gealtert. Meistens schmeckten sie dann aber nur noch nach abgetakelten Hollywooddiven: Fad, blond und nach Silikon.
Robert Parkinson

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