Ein Kater namens Sidi Brahim

Gesünder sterben

Welche Farbe hat die Gesundheit? Orange, na klar! Jedes Kind weiss schon kurz nach der Abnabelung von der Mutterbrust, dass eine Familienpackung Zweifel Pommes Chips Paprika den Tagesbedarf an Vitamin E deckt und dass Dr. Creutzfeld-Jakob den Genuss von Haribo Goldbärchen mit Orangen-Geschmack empfiehlt. Karotten sollen ausserdem dank ihrer Form der weiblichen Libido förderlich sein.

Erst seit kürzerer Zeit ist hingegen bekannt, dass der Genuss eines halben Büffelmozarellas genügt, den Lebensbedarf an Dioxin zu decken, und dass täglich ein Gläschen italienischen Weines den Organismus langfristig gegen die klassische mafiöse Konservierungstechnik des Salzsäurebades immunisiert und ausserdem dank des hohen Düngergehaltes sehr nahrhaft ist (also fertig mit dem Geschwafel von den leeren Kalorien!). Das mag auf den ersten Blick zwar verwirrend erscheinen - nach klassischer Auffassung gehören
Düngemittel schliesslich auf Abfahrtspisten und nicht in den Wein - ist aber durchaus praktisch. Die mittelalterliche Ernährung war nämlich genauer betrachtet sehr einseitig: Ass man den lieben langen Tag lang Mammutbiftek, starb man sicher nach drei, vier Jahren an Skorbut, wenn man auf Bananen setzte, war der Darmverschluss auf sicher und ernährte man sich von Kartoffelblüten, hatte man dauernd Bauchweh. Heute mixen die Natur und die Nahrungsmittelindustrie alles Lebensnotwendige überall rein, so dass man genau weiss, man kann sich lebenslänglich von Kabeljau oder Kopfsalat ernähren und erhält trotzdem die lebenserhaltende Dosis an wertvollen Schwermetallen, sogar wenn der Kabeljau nicht neben der Autobahn aufgewachsen ist wie der Kopfsalat. Die weltweite Verteilung wertvoller Nährstoffe hat mit der Eindosung von kalabrischen Tomaten in Neuseeland und anschliessenden Verteilung derselben in Apulien massiv Fortschritte gemacht, was dank der in Weissrussland gedruckten und in Thailand aufgeklebten Etiketten auch von deutschen Touristen im Lidl von Bari nachles- und prüfbar geworden ist. Besondere Fortschritte hat diese
Feinverteilungslogistik eben beim Spurenelement Dioxin gemacht: Während der Rollout desselben durch Givaudan vor gut dreissig Jahren in Norditalien massive Dosierungsprobleme bei der lokalen Bevölkerung mit sich brachte, ist das heutige System der Feindosierung mittels deponiegeräucherten Büffelmozzarellas wesentlich ausgereifter.

Vor Jahren habe ich mal eine Ferienwoche in einer Vollwertpension verbracht, dessen Besitzer den meisten kulinarischen Gelüsten entsagte. Mit vor Gluscht beinahe aus den Höhlen fallenden Augen servierte er Leckereien seiner chinesischen Köchin und erklärte dazu seine Lebensphilosophie, die es ihm lediglich erlaubte, morgens früh zwei Kilo Orangen zu verschlingen. Wozu? fragten wir ihn. Seine Antwort war: Für mehr Sterbequalität!
Severin Seveso

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