Ein Kater namens Sidi Brahim

Homestory

Ja, der liebe Haushalt! Wer hat schon Lust, nach einer arbeitsreichen Woche am Wochen­ende noch den Haushalt zu machen? Der soll sich gefälligst selber machen! Schliesslich haben Forscher lange genug geforscht, Reagenzgläser geschüttelt, in Pipetten gepinkelt, Dünnschliffe gemacht und schliesslich rausgefunden, dass der Mensch eine höhere Spezies ist, inklusive der Forscher. Homo sapiens: der weise Mensch. Da kann es doch nicht angehen, dass er selbst Klo putzen oder gar Staubsaugen muss, oder? Angeblich soll der aufrechte Gang ja dadurch entstanden sein, dass der Mensch schlicht die Nase voll davon hatte, in seiner Höhle im Staub rumzukriechen und sich die Knie an Legosteinchen aufzuschürfen, und nicht etwa, weil die besten Pralinen im Denner immer zuoberst im Regal stehen. Aber wer dann soll den Haushalt machen? Das kann nur eine minderwertige Spezies tun. Die Forscher haben weiter geforscht und diese minderwertige Spezies in langjährigen und breit angelegten Versuchsreihen unter den Menschenrassen mit spezifischen Eigenschaften gesucht: blond, dunkelhäutig, jüdisch oder Besitzer eines Balkongrills oder gar alles zusammen. Sie aber keine signifi­kanten Ergebnisse gefunden. Auch das Zucht­programm, welches die blonde Rasse für diese subalternen Tätigkeiten geeigneter machen sollte, scheiterte kläglich - es brachte lediglich einen amerikanischen Präsidenten hervor, der nicht einmal Hoover hiess, und vom Staubsaugen keine Ahnung hatte, nur vom Staub aufwirbeln. Nach diesen grandiosen Misserfolgen haben sich die Forscher wieder hingesetzt und erst einen Staubteilchenbeschleuniger, dann Betty Bossi und schliesslich die Roboter erfunden.

Also habe ich einen Staubsauger-Roboter gekauft.

Hermes hatte seinen ersten Dienst am Mittwoch. Bevor ich zur Arbeit losfuhr, stellte ich ihn ein, dass er grad loslegen sollte, sobald ich weg war. Wie freute ich mich tagsüber schon auf die Heimkehr, blitzblank sollte der Boden glänzen, flauschig die Teppiche blühen.

Gespannt kehrte ich heim. Ich hatte einen strengen Tag hinter mir und freute mich darauf, in einen bequemen Sessel zu sitzen, die nackten Füsse in den frisch gesäuberten flauschigen Gabbehteppich zu versenken und mir von Hermes einen Drink bringen zu lassen, während ich die Zeitung las. Aber als erstes stolperte ich im Hauseingang über den frisch gefällten Ficus Benjamini. Knöcheltief watete ich sodann durch Wollbüschel zum Sofa und spürte an den Fusssohlen so etwas
wie eine grob gegerbte, noppige Gänsehaut – der Gabbeh, der gute, alte, weiche Gabbeh: er war so kahl rasiert wie ein original Dresdener Neonazi. Und dann hättet ihr die Katze sehen sollen. Das dumme Vieh hat im Sommer die Angewohnheit, auf dem kühlen Steinboden zu schlafen. Naja, zum Glück ist Sommer, da hat sie trotzdem nicht kalt, und bauchfrei ist ja wieder in. Aber was war passiert?

Noch während ich darüber rätselte und mich fragte, wo Hermes steckte, kurvte er um die Ecke vom Balkon herein, wo der Basilikum steht. Gestanden hatte, denn auch der war bis auf die Stengel abgeschnitten, und Hermes stupste mit seiner Schnauze an ein Einmachglas auf dem Boden. Ich öffnete das Glas und schnupperte daran: Es enthielt frischen Pesto. Hermes schaute mich ganz stolz an und machte Männchen. Das verriet ihn.

Hermes’ Bauch war voller Messer. Das war also das Problem: Ich hatte versehentlich einen Rasenmäher-Roboter gekauft! Das war halt so ein Billigteil aus dem Aldi gewesen, mit Bedienungsanleitung nur auf Chinesisch, aber da das Teil ja nur einen Knopf hat und ich im Chinesisch-Kurs schon nach drei Wochen den Anschluss verpasst habe, habe ich halt einfach so mal auf den roten Knopf gedrückt. Machen andere ja auch einfach so, wenn auch nicht mit solch üblen Konsequenzen. Selber schuld!

Mit strengen Worten wies ich Hermes aus dem Haus und auf den Rasen davor, wo er sich erst mal austoben sollte. Geknickt schlich er von dannen.

Beim nächsten Kauf schaute ich natürlich genauer hin. Rosi, Bedienungsanleitung thailändisch, aber auch nur ein Knopf, etwas mollig, aber fleissig surrend erledigte das, was eigentlich Hermes’ Job gewesen wäre, zu voller Zufriedenheit. Sauber glänzte der Boden, weich und ordentlich nach links gekämmt und mit blonden Meches verziert stand der neue Gabbeh Spalier, und sie brachte mir sogar das Bier und die Zeitung ans Sofa, bevor sie sich in ihre Ecke zurückzog. Ein Muster von Dienstmädchen, fleissig und ohne Murren auch am Wochen­ende arbeitend, bescheiden und äusserst höflich. Dass sie gelegentlich aus dem Katzennapf naschte, sah ich ihr da gerne nach, zumal unsere Katze seit dem Ereignis unser Haus eh nicht mehr frequentierte und neben dem Fressnapf einen Fresszettel hingelegt hatte mit dem Inhalt «ich bin dann mal in Dresden».

So brummte Hermes im Garten und köpfte mit schelmischer Freude Gänseblümchen, während Rosi unsere Wohnung in einen Wellnessbereich verwandelte. Das ging gut bis zum Frühling.
Uns war schon seit einigen Tagen aufgefallen, dass Hermes immer wieder mal durchs Katzentörchen linste, dass ihm neuerdings aus dem roten Knopf ein Heckspoiler gewachsen war und er ganz anders tönte als sonst. Das hohe Sirren seiner Messer war einem tiefen, das Zwerchfell erschütterndem Röhren gewichen. Ölen half nichts, und es roch gelegentlich etwas streng am Katzen­törchen. Rosi hingegen saugte den lieben langen Tag immer um dieses Katzentörchen herum und liess den Gabbeh links liegen. Auch sie duftete neuerdings, nach Javel No 5, und trug gegen ihre Gewohnheit keine Lockenwickler mehr. Eines Tages, wir wissen nicht, wie Rosi sich durchs Katzentörchen durchgequetscht hat, fanden wir beide im Garten. Hermes lag auf Rosi und bewegte sich röhrend in einem eigenartigen Rhythmus hin und her, während Rosi tönte wie ein alter Keilriemen im Winter. Der technische Support riet uns, mit dem Reset-Knopf die Werksein­stellungen wiederher­zustellen. Das half aber nichts. Nach einem Weilchen wurden die beiden aber von selber wieder still, fielen voneinander ab, lagen friedlich neben­einander und ein feines Räuchlein stieg auf jeder Seite auf. Erst dachten wir, sie seien durchgebrannt, aber am nächsten Morgen liefen sie wie immer, nur etwas beschwingter.

Ein paar Monate später hatten wir dann die Bescherung. Gut, den männlichen Nachwuchs konnte ich als Rasierapparat verwenden, während die beiden Mädels auf dem Früh­stücks­tisch die Krümel wegräumen, Mutti helfen oder mit der Katze spielen durften respektive umgekehrt. Von den Kinderzulagen kauften wir für Rosi einen rosaroten Bürsten­halter und für die Katze, die mittlerweile immer noch kahl aus Dresden zurückgekehrt war (es wurde langsam Winter), einen Nerz. Dann wurden die Kleinen zu gross, und wir mussten sie den Nachbarn verschenken. Unser Haus ist einfach zu klein. Rosi hat uns das natürlich übelgenommen und eine Zeitlang extra auf den neuen Gabbeh gepinkelt. Das hat sich dann aber wieder gelegt, sie schadet sich ja letztlich selbst damit. Aber sie ist nicht mehr so gründlich wie früher. Wenn wir früher von der Arbeit heimkommen, haben wir sie auch schon erwischt, wie sie statt zu saugen «Baywatch» schaute.

Hermes ist jetzt kastriert und tönt wieder normal. Er wird jetzt langsam fett und alt, und die Gänseblümchen lachen ihn aus. Bis jetzt weiss er sich aber noch zu wehren. Und wenn nicht mehr, dann werden wir ihm Asyl gewähren im Haus. Wenn sie sich anständig benehmen, dürfen sie dann beide zusammen «Baywatch» schauen.
Pamela Andersrum

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