Ein Kater namens Sidi Brahim

Einheit der Materie

Neulich wollten wir uns was Gutes gönnen und gingen ins Restaurant essen. Wir bestellten das Menu: Grüner Salat mit Spargelspitzen und Ziegenkäsecroutons, Cordon Bleu mit Pommes Frites und Ofentomaten auf provenzalische Art, Coupe Dänemark. Dazu ein Châteauneuf-du-Pape. Kaum fünf Minuten später wurde bereits serviert: Der Kellner stellte einen grossen Topf in unsere Tischmitte mit einem grünlich-gelb-rötlichen Brei drin. Zuoberst schwammen einsam ein Petersilienblatt und eine Fliege. Aus dem Topf ragten drei Trinkhalme. «En Guete» wünschte der Kellner uns, während er uns den Wein zeigte, ihn öffnete, am Zapfen schnupperte und dann in den Brei leerte. Wir schauten ihn fragend an, und ich erlaubte mir zu sagen, dass wir nicht die Tagessuppe, sondern eben den grünen Salat mit Spargelspitzen und Ziegenkäse­croutons zur Vorspeise bestellt hätten. Da sagte uns der Kellner, er wisse schon, was wir bestellt hätten: Auf dem Tisch stünde ja der grüne Salat mit Spargelspitzen und Ziegenkäsecroutons. Und das Cordon bleu, die Pommes frites und provenzalischen Ofentomaten und das Coupe Dänemark ebenfalls. Aber wenn wir wollen, könne er noch etwas mehr Schokoladensauce bringen. Wir schauten immer noch dumm aus der Wäsche, so wie enthörnte Rindviecher auf einer Juraweide, da bequemte sich der Kellner doch noch zu einer weiteren Erklärung: Es handle sich bei dem Gericht auf dem Tisch um eine neue Art der Zubereitung, genannt «Einheit der Materie». Diese Kochweise sei zudem aktuell sehr angebracht, da unser Tisch bereits in einer halben Stunde wieder für die nächste Kundschaft reserviert sei, wir
sollten also langsam anfangen zu essen bzw. zu trinken, damit wir nicht hungrig aus dem Hause müssten.

Ungefähr so sehen die Gerichte aus, die Bundesrat und Parlament aktuell in der Bundeshausküche für uns zubereiten: Da werden mehr oder weniger schwerverdauliche Zutaten wie Unternehmenssteuer­erleich­terungen, Kapitaleinlagen, Patentboxen, Ahavauprozente und Umwandlungssätze von leicht abgestandenen Rentnern brachial durch den Mixer getrieben, bis die Kosten für entgehende Steuergelder nicht beim Verursacher, sondern beim Volk landen. Dieser Brei wird in abgesägte Kuhhörner gefüllt und uns, dem Volk, von den Volksvertretern1, vor die Nase gestellt. Wir sollen dann einfach mit zugehaltener Nase Ja oder Ja zu dieser Mahlzeit sagen, und zwar möglichst dalli, weil die nächste Suppe aus Kampfflugzeugen, Bodenluftabwehrsystemen, neuen Sturmgewehren und den eingedosten Resten von den hornlosen Kühen köchelt schon in der Küche und soll uns auch noch vorgesetzt werden. Schmeckt alles nicht so lecker, auch wenn die SVP und die SP wechselseitig der Suppe noch mit ein bisschen gehacktem Ausländerraus, einer gestutzten Kesb und neuen Kinderkrippen etwas Pfiff zu verleihen versuchen. Zuletzt kriegen wir einen Zettel serviert, auf dem steht: «Wollt ihr den FucKudUueAfAuAuaKdegMubÜmsbw2 annehmen?». Daneben steht noch «Ja3» und

1So nennt man Personen, die gerne in den Hintern des Volkes treten
2Faulen und chaotischen Kompromiss um die Unternehmenssteuerreform und erhöhte AHV-Sätze für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und anderem Kleinkram, der eine ganze Menge unerwarteter böser Überraschungen mit sich bringen wird
3OK, das habe ich verstanden
ein Kästchen, das man ankreuzen kann beziehungsweise bereits angekreuzt ist, weil es ja eilt, die Unternehmen ziehen sonst weg und die AHV geht kaputt. Mal endlich wieder echte Demokratie und eine Vorlage, bei der man drauskommt, nicht so Zeugs wie Geldspielgesetze und Vollgeldinitiativen, die einen zwar im hohen Masse interessieren, man aber schlicht nicht versteht und trotzdem mitreden soll.

Apropos Kesb: Deren Kompetenzen gehen ja für gewisse Leute zu weit. Mit einem neuen Gesetzesartikel, ich weiss jetzt grad nicht, ob der auch im FucKudUueAfAuAuaKdegMubÜmsbw enthalten ist, sollen die Leute ja besser vor der Behördenwillkür geschützt werden. Umwandlung der Kesb in eine Kebssb, also Kinder- und Erwachsenen-Behördenschutzschutzbehörde. Man sollte im Sinne der «Einheit der Materie» auch noch gerade einen besseren Schutz vor Politikern einbauen, also Kebupssb, das tönt wie Kebab mit Ketchup.

Das oben genannte Restaurant haben wir übrigens nicht mehr besucht. Wir waren auch nur da, weil angeblich das politische Establishment dort verkehrt, und wir hornloses Stimmvieh auch mal einen echten Politiker bestaunen wollten.
Elsa

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