Ein Kater namens Sidi Brahim

Fahnenflucht

Frage: Ist es in unserem hochkorrekten Land möglich, dass ganze Heerscharen von Automobilisten mit Fahne fahren und die Polizei wegschaut? Antwort: Ja, und zwar während der Euro 08. Waren es anfangs einzelne Patri- und andere –oten, gab es plötzlich kaum mehr unbewimpeltes Blech. Mit Fahne fahren war in und wurde auch nicht mit Fahrausweisentzug gebüsst (Fahren im angewimpelten Zustand). Nicht lange zwar dauerte das, kaum war die Schweiz ausgeschieden, verschwand das rotweisse Fahnenmeer aus der Fahnzone so schnell wie es aufgetaucht war – Fahnenflucht eben – und wich einer seltsamen orangen nach grünem Bier stinkenden Masse, die in Bern durch alle Gassen waberte.

Hoher Anpassungsdruck herrschte allenhalben in dieser Zeit. Wer das falsche Logo auf seinem T-Shirt hatte, wurde des Platzes verwiesen, wer es wagte, Clausthal

statt Carlsberg zum Mund zu führen, wurde fischiert und wer gar braune Streifen statt ein rotes Kreuz im Slip hatte, galt als Festbeschmutzer. Chancenlos in dieser bierseeligen Zeit war ja auch eine Einladung zu einer Wein-Degustation der RGR. Sogar unsere schwarzweiss gescheckte Katze fügte sich und frass sich kugelrund. Klein-Eva nannten wir nur noch U-Eva. Kontrolliert wurde das konforme Verhalten wie auf amerikanischen Flughäfen seit Nineeleven¹. Naiv wie wir waren, wagten wir auf dem Weg zu einem Familienzmittag, bei dem wir Salat beisteuern sollten, die Salatsauce in einer Glasflasche eingepackt an ein Sonntagmorgenkonzert in der Innenstadt mitzunehmen. Gottseidank vergassen wir sie dann im ausserhalb der Fanzone abgestellten Anhänger, sonst wären wir jetzt im Urlaub auf Abu Ghraib und müssten Tüten kleben, Hündchen spielen oder Stars and Stripes mit Spitze umhäkeln.

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¹Nineeleven = 911 = Porschemodell. Wird häufig zu schnell gefahren und hebt dann bisweilen von der Strasse ab, wobei es in Hochhäuser fliegen kann.
Aber eben, kaum zwei Wochen hielt das patriotische Wunder an, dann verschwanden die Wimpel wieder, wurden in Indien von flinken Kinderhändchen in Rotkreuzbinden umgenäht und nach Kolumbien verschifft. Kein Wunder, verhalten sich auch unsere Fussballer nicht wesentlich nationalbewusster. Hans Jäggi, unser YB-Stolz, nennt sich jetzt Hakan Yakin und verlässt unser Land, weil es bei den Scheichs mehr Scheine gibt. Köbi Kuhn geht als Kurt Cobain mit Frau Buddha ins Nirvana. Und YB selber kleidet sich neuerdings in Guantanamo-Pyjamas. Oder sind mit dem Dress vielleicht die BDP-Parteifarben gemeint? Dann wäre am Ende doch noch nicht alle Hoffnung verloren, oder?
Köbi Global

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