Ein Kater namens Sidi Brahim

Hitler-Aquarelle und Designerprothesen

Zwei Zeitungsnotizen am selben Tag: An einer Auktion sollen drei Aquarelle von Hitler versteigert werden, werden aber wegen Fälschungsverdacht konfisziert. Im Kongresszentrum Davos, also mittendrin, wo das WEF tagt, findet eine Ausstellung von Designer-Prothesen statt. Zwei vermischte Meldungen, die vermeintlich nichts miteinander zu tun haben?

Schon die Hitler-Tagebücher waren Fälschungen, die Aquarelle werden sich vielleicht ebenfalls als solche herausstellen, so wie auch die erst noch zu findenden Hitler-Ballettschuhe, Hitler-Teddybär (blond und blauäugig), Hitler-Schnauzbinde und die Hitler-Oper «Das Judengold». Aber die Hitler-Unterhosen waren echt, wie die genetische Analyse des braunen Mittelstreifens zweifellos bestätigte. Die Neonazi-Community ist
jedenfalls ganz scharf auf solche banalen Requisiten, gefälscht oder echt, aus dem normalen Leben eines Massenmörders. Umgekehrt werden aber andere, eigentlich grössere, beachtenswertere und nachhaltigere Leistungsausweise des Führers immer wieder von derselben Community geleugnet, so wie die Konzentrationslager. Und hat Stalingrad überhaupt stattgefunden? Hitler-Aquarelle sind einfach salonfähiger und kann man im Wohnzimmer gut neben die Ständerlampe aus Judenhaut aufhängen.

Im WEF hingegen tagen ja keine Massenmörder, sondern hochrangige Wirtschaftsführer und Politiker. Was in der Wirkung manchmal auf dasselbe herauskommt, zum Beispiel wenn Ueli Maurer den Fall Kashoggi vom Tisch wischt wie Revisionisten den Holocaust und mit Saudiarabien bereits wieder Verträge für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit unter menschenrechtskonformen Bedingungen aushandelt: wir liefern die für Menschen gemachten Waffen, wenn ihr uns garantieren
könnt, dass ihr sie auch wirklich nur an Menschen anwendet. Diese Verhandlungen werden dann neben einer Designer-Beinprothese geführt, ein schmuckes Stück, welches jedem Tellerminengänger zur Ehre gereicht, sofern er sie sich überhaupt leisten kann – es handelt sich ja um Schweizer Qualitätsware. So wie die Tellermine auch. Und das Minenfeld namens Weltwirtschafts­forum. Nur dass es die, die darauf rumtrumpeln, nie erwischt.

Hitler-Aquarelle an der Wohnzimmerwand und Designerprothesen am Weltwirtschaftsforum. Das ist Verniedlichungszynismus, welcher Monster zu Menschen macht. Und einfach ziemlich unappetitlich.
Jö Effekt

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