Ein Kater namens Sidi Brahim

Second Hand Life



Per Internet einkaufen, ja das ist schon bequem für vielbeschäftigte Manager, die nicht während der Ladenöffnungszeiten einkaufen gehen können, aber trotzdem noch menschliche Bedürfnisse stillen müssen wie Essen, neu Einkleiden, Sex oder die Mutter besuchen. Man muss nur schauen, dass man dann doch zwischendurch zuhause auftaucht, damit man die Päckchen mit der abgelau­fenen Lasagne wieder an Zalando und die neuen Socken, die zwar passen, aber nach drei Tagen trotzdem schon furchtbar nach Käse stinken, an Coop at Home zurück­schicken kann. Und die Mutter kann auch nicht ewig drin bleiben in der Tier­transport­box, und man sollte sie besser nicht mit Gummisusi verwechseln. Irgendwie wird da schnell alles Second Hand.

Auch D. Trump, einigermassen bekannter Immobilienmakler, spezialisiert auf Hoch­stapeln und Tiefbau in Golfplätzen und Grenzgebieten, kauft aus praktischen Gründen gerne per Internet ein, und zwar möglichst billig. Seine Schlitzohren zum Beispiel, die kauft er unterdessen nicht mehr in China, wegen der unerklärlich hohen Strafzölle, sondern Second Hand im nahen
Umfeld und damit viel billiger, wo er sie dann im Weissen Haus an- und ausstellt. Und wenn sie zu wenig schmalzen, dann wirft er sie einfach weg und shoppt sich ein paar neue. Gut, das gibt manchmal etwas heisse Köpfe, und um die Gemüter zu kühlen, dazu braucht es Eiswürfel. Und wo kriegt man die am schnellsten und billigsten her? Klar: Aus Grönland. Also kauft D. Trump Grönland mit 1-Click bei Amazon. Leider gibt es dann Schwierigkeiten, weil Grönland in Dänemark an Lager liegt und der Versand nur innerhalb der EU möglich ist.

Aber sonst gibt es ja fast alles in E-Shops zu kaufen. Sogar Beerdigungen all inclusive. Am besten sollte man sich schon vor dem Ableben bei bestattungsplaner.ch anmelden, damit der Frühbucherrabatt von 10% beansprucht werden kann. Wenn man von der 3-für-2-Aktion profitieren will, sollte man die Tiefkühltruhe rechtzeitig freiräumen, die Frischegarantie wird sonst hinfällig. Den geeigneten Sarg kann man per 3D-Visualisierung auswählen, alles andere ergibt sich ohne Mühe, wenn man einfach den Empfehlungen «Kunden, die den Sarg 'Dornröschen' gekauft haben, kauften auch…» folgt. Wer sich lieber überraschen lassen will, kann natürlich auch Last-Minute buchen und muss dann halt auch bereit sein, eine Urne im Sparschweinchenoutfit in Kauf zu nehmen, die sich in der pompösen neoklassizistischen Familiengruft vielleicht etwas schlecht macht. Skeptiker hingegen lesen zunächst die Bewertungen anderer Sarg-User: «Heimelig eingerichtet, zum Verlieben», «Viel zu eng, Fenster können nicht geöffnet werden», «Bettwäsche war schon gebraucht und hatte unappetitliche Leichenflecken», «Frühstück war nicht dabei» oder «alles super, ich komme wieder». Aber Achtung: Auch hier gibt es gekaufte Bewertungen, in Russland soll es ganze Zombie-Farmen geben, die sich darauf spezialisiert haben. Zuletzt einfach den Zugriff auf die Kontakte-Liste in Outlook
freigeben und am Termin, welcher der Bestellbestätigung beiliegt, auf dem Friedhof erscheinen. Die Angehörigen natürlich ebenfalls, bekleidet mit den schwarzen Hemden, welche zwei Tage vorher von Blacksocks GmbH geliefert werden. Alles selbstverständlich mit «Zufrieden oder Leiche zurück»-Garantie, wenn nicht mehr als die Hälfte der Trauergemeinde den Anlass geliked hat.

Und mit mehr als 100 Credits kommt man automatisch auf den nächsten Level. So kommt auch das reale Sterben langsam in der virtuellen Welt an, wo das ja auch viel einfacher von statten geht und ganz ohne Aasgeruch. Töten und Sterben gehört ja seit jeher zu den Kernkompetenzen der Computerspiele. Schon bei Pacman war der Tod ein prominenter Akteur – in Form sympa­thischer wischmopähnlicher Gespenster, die einen verfolgten und entweder fressen oder gefressen werden wollten – von den Ego-Shootern gar nicht zu sprechen. Und auch die vielgesuchte Unsterblichkeit, an der wir uns in der realen Welt immer noch mit Balsam, Botox, Bio-Birchermüesli und anderen Scharlatanerien versuchen, ist in der virtuellen Welt längst Realität: Es genügt im Google-Suchindex zu landen. Allerdings sollte man sich auch im virtuellen Leben noch zu Lebzeiten mindestens so anständig benehmen, dass man im Nintendo Nirwana kein Second Life als Käsesocken, Mundgeruch oder frisierte Zahnbürste von Kim Jong-un fristen muss, also eher ein Second Hand Life. Nein, man sollte immerhin so repräsentativ daherkommen, dass sich die Urgrossmutter noch mit einem treffen mag im Darknet-Café.
Tomb Raider

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