Ein Kater namens Sidi Brahim

Konterevolution

«Salat zum selber schiessen» - so las ich am Wochenende auf einer Fahrradtour durchs Mittelland. Natürlich war das ein Verleser, aber irgendwie auch gar nicht so falsch: Auf der anderen Strassenseite nämlich hatte ein SVP-treuer Bauer (ja, die gibt es noch!) sein Land zur Verfügung gestellt für allerhand Wahlplakate der SVP. Die Köpfe, die aus dem grünen Logo rauswuchsen, sahen ja tatsächlich irgendwie wie Salatköpfe aus und zum Schiessen. Ausserdem ist Jagdsaison, und auch bei vorwiegend vegetarischer Ernährung möchte man sich ja mal was gönnen.

Wahlen sind überhaupt immer etwas sehr Gruselig-Schönes. Genussvoll sitzen wir nach dem Sonntagabendmahl am Tisch, und statt eines Desserts sortieren und sezieren wir gemeinsam den Inhalt des Wahlcouverts. Affen gaffen sagen wir dem. Das ist kalorienarm und hebt das Gemüt. Schon wie die kandierten Früchtchen, pardon, die kandidierenden Früchtchen auf den vielfarbigen Werbebeilagen drapiert werden – von unten beleuchtete Mini-Porträtbilder, in der Frontalen aufgenommen, in Reih und Glied: Das erinnert irgendwie an einen
Soldatenfriedhof oder an die staubige Ahnengalerie in einem siebenbürgischen Schloss inmitten eines finsteren Waldes, allenfalls noch an die bebilderte Analphabeten-Menukarte einer Döner-Bude an schlechtester Lage. Da hilft auch nicht, dass unterdessen alle grün geworden sind und aussehen wie Marsmännchen mit Verdauungsproblemen, manche haben sich sogar falsche Gretazöpfchen angeklebt. Wer wählen geht, muss schon hartgesotten sein. Wer nicht regelmässig morgens in den Spiegel schaut nach dem vorabendlichen Genuss einer Literflasche Sidi Brahim, wer die Joker-Filme nicht kennt oder nicht einmal einen persönlichen Traumatherapeuten hat, traut sich wahrscheinlich gar nicht erst, das Wahlcouvert zu öffnen. In Texas dürfen ja nur Besitzer eines Waffenscheins wählen gehen, hierzulande läuft die Selektion der Alphawähler etwas subtiler, aber trotzdem erfolgreich. Man sieht es am Ergebnis. Schloss Dracula liegt am Bundesplatz. Auffälligstes Indiz: Auf dem offiziellen Wahlplakat der SVP hat Albert Rösti keinen Schatten. Ich habe mich aber nicht abhalten lassen von meinem Recht und einfach das Wahlcouvert mit Knoblauch eingerieben, bevor ich es eingeworfen habe. Dank der bloss 2x3 cm Bildgrösse wird auch der künftige Nationalrat nur einen Nischenplatz in meinen Lieblingsalpträumen kriegen. Ausser
Banksy malt dereinst auch unser Parlament und hängt sein Werk in den Nationalratssaal anstelle der «Wiege der Eidgenossenschaft» auf. Das hätte allerdings den Vorteil, dass man gar nicht mehr wählen gehen müsste und die Bananen nicht immer schlaffer würden.

Affen gaffen. Man muss ja gar nicht bis zu den Wahlen warten. Die Menschheit hat eine Million Jahre gebraucht, um sich vom Affen zum Menschen zu entwickeln, einzelne Vertreter der Spezies schaffen es aber, sich in wenigen Minuten wieder zum Affen zu machen. Dass weder Macht noch Reichtum davor schützen, haben letzthin ranghohe Chefs der Credit Suisse gezeigt, die sich wie Viertklassgoofen auf dem Schulhof geprügelt haben. Einfach herrlich. Endlich bietet die Bank was für’s Geld, echte Swiss Quality, man muss für einmal nicht über den Atlantik schauen, wenn man sich amüsieren will. Wurde ja auch Zeit bei 0% Zins. Auch wenn die Idee eigentlich geklaut ist: Mit der Kantonalbank kommt man schon seit Jahren gratis ins Kino.
Simia sapiens sapiens

>bilder
>home >archiv