Ein Kater namens Sidi Brahim

Welches Schweinderl hättens denn gern?

Mein Finanzberater hat mir neulich nahe­gelegt, den Fokus beim Alterssparen nicht mehr länger nur auf Bordeaux zu richten, sondern dafür zu sorgen, dass ich nach der Pensionierung dann auch noch etwas Geld auf der Seite habe, um Krankenkassen, Kreuz­fahrten, Enkeltrick­betrüger und zu guter Letzt auch Bordeaux bezahlen zu können. Gute Idee, fand ich. Ich erinnerte mich: In der Bank in Ins hatte ich damals als Jugendlicher voller Stolz mein erstes Sparkonto mit den ersten selbst verdienten Hundert Franken eröffnet. Damit hatte die Bank in Ins enorm Speck angesetzt, worauf sie von der Bankge­sellschaft aufgefressen wurde, die das aber irgendwie nicht so gut vertrug und sich immer weiter bis zur UBS aufblähte. Die wäre geplatzt, wenn die Eidgenossenschaft nicht in einer Notoperation den Blinddarm über­nommen hätte. So dämmert meine erste Bankeinlage wohl nun als Appendix der Schweizer Bankgeschichte in den Verliesen der Nationalbank.

Dies vor Augen begab ich mich auf die Suche nach einer altehrwürdigen Bankfiliale. Ich sah mich schon eine frisch gebohnerte mit 200 jährigem Arvenholz verkleidete und Butzenscheiben versehene dezent-edle Eingangshalle betreten, in der links und rechts Kupferstiche von General Guisan und Albert Anker hängen würden, auf den Schalter zusteuern und mein Bündel nach weiter Welt und Männerklo duftender Hunderternoten auf den Müntschemier­marmor­tresen legen mit den Worten: «Für Königreich und Vaterland!».

Nun, es ist schon mal gar nicht so einfach, überhaupt einen Bankschalter zu finden. Bankschalter sind längst Opfer der Digitalisierung geworden. Ich hatte jedoch Glück und fand noch eine real existierende Filiale. Da reinzukommen war aber nicht so einfach: Da ich schon länger nicht mehr in einer Bank gewesen war, hatte die Gesichtserkennungssoftware Mühe, mich zu erkennen. Erst als ich den Strumpf vom Gesicht gezogen hatte, begrüsste sie mich
mit «Hello Mr. Barrow1. Please contact the nearest police station». Auch nicht wirklich hilfreich. Zum Glück kam ich auf die Idee, eine meiner Hunderternoten vor die Kamera zu halten: Schon besser: «Hello Mr. Giaco­metti» begrüsste mich die Kamera, und die Tür ging auf.

War die Filiale zwar noch real, so aber nicht der Bankberater, der war schon wegratio­nalisiert worden. Ich wurde von einem Bildschirm empfangen, auf dem ein digitaler Assistent, der so zwischen Karl Klammer und Marc Zuckerberg aussah, mich anlächelte und mit abgehackten Worten begrüsste. Ja, selbstverständlich könne ich ein Konto eröffnen, beschied er mir, liess mir ein fünfzehnseitiges Formular aus einem Schlitz heraus. Dies füllte ich mithilfe meines Psychiaters und der Putzfrau so gut wie möglich aus. Manche Fragen hatten die beiden mir bis anhin tatsächlich noch nie gestellt, unter anderem «welches Schweinderl hättens denn gern?». Das Formular brachte ich in der Folgewoche wieder mit, um es in den Schlitz zurückzuschieben. Die Woche darauf erhielt ich eine SMS, dass alles in Ordnung sei. Weisungsgemäss brachte ich wiederum in der Folgewoche mein Bündel Hunderternoten, das unterdessen etwas lange zwischen Picnicresten im Rucksack hatte ausharren müssen, und schob es in den Schlitz. Umgehend kam eine Bestätigung heraus, die mir mit bestem Dank den erfolgreichen Abschluss der Kontoeröffnung und ein aktuelles Guthaben von Fr. 0.00 mitteilte und dass eine erste Einzahlung zur Äufnung nun sinnvoll sei. Ich fragte bei Karl Zuckerberg nach, wie denn das sein könne, ich hatte doch eben erst tausend Franken in den Schlitz geschoben. Ganz einfach, erläuterte mir dieser: die Konto­eröffnungs­spesen, die Gebühren für Personen- und Bonitätsprüfung, die Bareinlagenzulage, die Umrechnung in US-Dollar aufgrund eines transatlantischen Abkommens und die Zurückrechnung in die Kontowährung CHF, diverse Minderwerts- und Ablasssteuern sowie die Geldwäsche hätten bereits 95.6 Prozent des überwiesenen Betrages ausgemacht, die seit der Antragsstellung angefallenen Negativzinsen noch einmal 4.5

1Clyde Barrow war als Bankkunde nicht so beliebt, weil er sich nicht immer an die Schalteröffnungszeiten hielt.
Prozent, auf die 0.1 % Differenz zulasten der Bank würde diese allerdings kulanterweise zu Gunsten einer guten Geschäftsbeziehung verzichten. Ich dankte artig. Erst beim Hinausgehen fiel mir auf, dass da gar kein Arvenholz und Marmor war, sondern nur Pizzakarton, und an der Wand hing ein Bild von Totò Riina. Draussen quietsche im Herbstwind eine schiefe, rostige Tafel mit der Aufschrift «Lehmann Brothers».

Das nächste Geld wollte ich sinnvoller anlegen: Ich kaufte mir die Dreigroschenoper («Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?»). Den Rest wollte ich nicht wieder der Bank schenken, für eine Hochseeflotte war es etwas zu wenig, daher ging ich in ein Möbelhaus, wo ich mir ein neues Sparbett kaufen wollte. Die verdrehten aber die Augen, als ich bar zahlen wollte, und gaben mir unmissverständlich zu verstehen, dass sie keine Wohltätigkeitsorganisation seien und nur harte Währung entgegen­nehmen würden. Mein halber Bordeaux-Bestand ging für das Bett drauf. Mein Geld schob ich dann halt in den dafür vorgese­henen Sparschlitz in meiner neuen Matratze. Das heisst das, was vom Geld übriggeblieben war, ich musste ja noch die horrenden Kontoführungsgebühren für mein leeres Kontos zahlen, und an eine kostspielige Kontoauflösung konnte ich aufgrund der knappen Finanzen gar nicht erst denken.

Nun, irgendwann mal war die Matratze trotzdem so voll, dass sich nicht mehr bequemer, sondern immer unbequemer wurde. Fünfrappenstücke sind halt echt nicht zum Wellnessen erfunden worden. Kurzerhand packte ich die Matratze und schleppte sie zur Bank, um sie gegen ein Aequivalent von Tausendernoten umzu­tauschen oder auf mein Konto zu überweisen. Ja, sie haben es richtig erraten: Auch das kostete wieder einiges an Spesen. Ich schlafe seither auf Stroh, aber immerhin auch langfristig bequem und gut. Denn erstens klimpert es nicht beim Drehen und zweitens gehe ich nüchtern ins Bett.
Robert Lembke

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