Ein Kater namens Sidi Brahim

Rosas Fudi

Wir schreiben das Jahr 2022. Im Rekord­tempo wurde das ehrgeizige Projekt «Anaram» - endloses Licht - soeben fertiggestellt: Ein Achtsamkeitszentrum in Laax für gestresste Manager, entworfen vom Stararchitekten Matteo Thun und mit dem Greta-Thunberg-Zertifikat versehen, da flugschamfrei erreichbar. Mitten in die unberührte Bergwelt gestellt, was nur dank einer Bauzonenänderung möglich war, die von der Laaxer Bevölkerung in einem unacht­samen Moment problemlos durchgewunken wurde. Hilfreich für dieses unkomplizierte Vorgehen war sicher, dass Gemeindebehör­den, Bauunternehmer und lokale Dienstleister geschlossen für das Projekt und die wert­schöpfungsreiche Zweckerneuerung des Umfeldes geweibelt hatten, die ihnen ökonomische Vorteile und langfristige Beschäftigungsperspektiven boten. Potentielle Einsprachen wurden mit grosszügigen Mitteln bereits vorgängig behandelt. So wurde in zwei Jahren möglich, was in unserem Land meist Jahrzehnte beansprucht. Und das wurde auch wirklich gut: Wo vorher nur öde Weiden und langweilige Wälder standen, wurde eine Wohlfühloase der Superklasse aus dem beziehungsweise in den Boden gestampft, mit den teuersten und besten aller Materialien, in welcher nur die teuersten und besten aller Manager vollständig abgeschottet unter sich bleiben dürfen. Wenn das keine Wertsteigerung ist, was dann? Klar: Rosa, die alte Holsteinkuh vom Bauer Ueli Knecht, musste sich neue Weidegründe suchen, wo sie ihre Fladen fallen lassen kann. Aber ihr ist das Gras einerlei, es schmeckt auch an den Schattenhängen einigermassen gut, und Ueli konnte den Zustupf für sein Weideland, auf dem nun Topmanager gemolken werden, gut gebrauchen.

Nun sitzen Tidjane Thiam und Sergio Ermotti im Lotussitz ganz relaaxed da drinnen in dieser ehemaligen Landwirtschaftszone, mittig zwischen ihnen Iqbal Khan. Händ­chenhaltend und in absoluter Stille schauen sie auf die unberührte Schneeland­schaft hinaus, spüren Rosas Aura1 und denken über

1Iqbal hat am Vorabend Sauerkraut gegessen
die Herausforderungen der Menschheit und der Welt nach. Beim veganen Demeter-Randensüppchen tauschen sie dann die gewonnenen Erkenntnisse mittels Flower­power­point freundschaftlich untereinander aus und entwickeln ein Zenpunkteprogramm zur Rettung der Welt. Zu dessen Umsetzung erstellen sie einen Wellnessplan und fahren als stolze Besitzer eines Awareness Awards nach Hause in ihre Villen.

Dort nehmen sie je zehn abgewiesene Asylbewerber auf, um endlich die vielen verstaubten Zimmer zu füllen, und schenken ihrer Frau wieder mal Rosen. Das Portrait von Pierin Vinzenz im Schlafzimmer tauschen sie gegen eines von Mahatma Gandhi aus und den Koks gegen Hanf. Iqbal und Tidjane, die ja nebeneinander wohnen, verschenken ihren Mercedes S 560 beziehungsweise Bugatti und erwerben stattdessen ein gebrauchtes Tandem mit Blümchen am Lenker, mit dem sie fortan gemeinsam ins Büro fahren. In ihrer Firma verschieben sie den Fokus von Gewinn auf Nachhaltigkeit und soziales Engagement. Sie unterstützen nur noch die Rohstoffhändler, welche die besten und seltensten Erden schürfen lassen, in sorgfältiger Handarbeit von Fachkräften, welche ihnen von Zewo-zertifizierten Behindertenorganisationen vermittelt werden. Die Minen müssen in nachhaltig wirt­schaftenden und demokratischen Ländern liegen, also in Ländern, deren Herren mittels Urnen gewählt worden sind2. Alle Kunden müssen nachweisen, dass sie sozialverträglich und CO2-neutral produzieren, also zuhause ihre Kinder nicht verprügeln und Recycling-WC-Papier benützen, ansonsten werden die Kredite gekündigt. Tidjane und Iqbal erreichen zwar die Quartalsgewinnziele nicht, da dies jedoch das verlässlichste Zeichen für den Erfolg des Strategiewechsels ist, werden sie dafür aber vom Verwaltungsrat, der ebenfalls einen Achtsamkeitskurs belegt hat, belobigt. Bonus gibt es keinen mehr, das Geld wird stattdessen in einen Think Tank investiert, in welchem sich kluge Köpfe überlegen, wie für die behinderten Minenarbeiter noch bessere Arbeits­beding­ungen geschaffen werden können, was die bekehrten Manager jedoch mit der Euphorie der Weltverbesserer gerne akzeptieren. Die

2Erdbestattungen gelten als elitär und wegen der Beanspruchung von Land als unökologisch
staatlichen Zuschüsse für die einquartierten Asylbewerber und deren tatkräftige Hilfe in Haus und Garten, die das teure und verwöhnte Hauspersonal überflüssig macht, sind für sie bereits Entschädigung genug. Ein Jahr später ziehen die Initianten die Konzernverantwortungsinitiative zurück, sie ist gegenstandslos geworden. Die Manager empören sich geradezu beim Gedanken, dass eine solche Initiative mal als notwendig betrachtet worden war.

Ein weiteres Jahr später treffen sich Tidjane, Sergio und Iqbal, die unterdessen beste Freunde geworden sind im gemeinsamen Bestreben für eine bessere Welt, wieder im Anaram. Sie lassen ihre Erfolge Revue passieren, entwickeln im Think Tank die Idee, für die Rosen in ihren Gärten das Max-Havelaar Label zu beantragen, und schmieden Pläne, wie Reduit Suisse und Union des Bandits Suisses zu einem globalen Übernehmen fusioniert werden könnte, in welchem sie frei von wertzerstörender Konkurrenz ihren Return on Investment in naturfreundliche Geschäfte weiter maximieren könnten.

Während sie ihr Randensüppchen schlürfen, schlurft draussen vor dem Fenster Rosa vorbei, frisst das letzte Gänseblümchen und zeigt ihnen, was ein naturnaher Geschäftsabschluss ist: Aus Rosas Fudi3 fällt ein Fladen. Mit diesem Aha-Erlebnis fahren die drei nach Hause und fort mit ihrem Werk.
Green Peas

3Lat.: Ich habe die Rosen gegossen


>bilder
>home >archiv