Ein Kater namens Sidi Brahim

Mit Tröpfchensystem zur Tröpfcheninfektion

Nachdem sich Giuseppe totgehustet hatte, musste natürlich ein neuer Hamster her. In diesen Zeiten der verstärkten sozialen Kontrolle geht es ja gar nicht, keinen Hamster zu haben. Man weiss nicht einmal, ob man vielleicht spontan gebüsst oder gar verhaftet wird, wenn man ohne Hamster auf die Strasse geht oder mit Hamster auf die Strasse geht, diesen aber auf den Arm nimmt, statt ihn mit zwei Metern Abstand an der Leine zu führen, die Regeln hierzu ändern ja stündlich. In anderen Ländern gilt aktuell, dass man nur mit einem Hund auf die Strasse darf, und das, nachdem alle einen Hamster gekauft haben. Solche behördliche Willkür ist schon ärgerlich. Wobei: die Behörden haben auch gesagt, dass man keine Hamsterkäufe tätigen muss, aber zu Hundekäufen haben sie auch nicht wirklich geraten.

Nun, der neue Hamster war eigentlich eine Hamsterin, erst nach dem Kauf stellten wir fest, dass sie ein Weibchen war. Und trächtig. Sie heisst also nicht Giuseppe der Zweite, auch nicht Corona, weil wir sie sonst nicht rufen dürften, wenn sie mal abhauen sollte, ohne eine Massenpanik auszulösen. Wir haben sie in Rücksicht auf das Gleichgewicht der Nord-Süd-Achse Angela genannt. Angela geht nun für uns einkaufen, damit wir uns
nicht anstecken. Sie muss aber erst vor der Migros in einer Schlange stehen, bevor sie reindarf, wie damals in der DDR, aber das ist sie zum Glück gewohnt. Wobei diese Schlange optisch nicht viel mit DDR-Schlangen zu tun hat, die Wirbelsäule der Migrosschlange ist sehr lückenhaft mit zwei Meter dicken imaginären sozial distanzierenden Bandscheiben. Das ist positiv, es sieht nicht nach Gedränge und Mangelwirtschaft aus, eher nach gemütlichem Rumhängen wie vor dem Jungendtreff. Nur dass keiner kifft. Wie auch, mit Mundschutz? Die Schlange entsteht, weil man die Einkaufsanwärter nur mehr mittels Tröpfchensystem in die Läden lässt: so viele wie rausgehen, dürfen auch wieder rein, damit es nicht zu viele werden. Wenn man dann dran ist, kriegt man noch per Spray Desinfektionsmitteltröpfchen auf die Pfoten und ins Gesicht, bevor man sich endlich die letzten drei Tomaten angeln kann, die auch nur noch rumliegen, weil sie aus Italien kommen, also mit Corona gespritzt wurden, was man daran erkennt, dass Bio draufsteht. Viren sind schliesslich Bio. Ansonsten sieht der Laden innen so aus wie in der DDR. Aber diesmal echt gut imitiert, bis ins letzte Detail: Bananen hat es auch keine.

Nun, Angela hatte kein Interesse an italienischen Tomaten, auch nicht an Ravioli. Stattdessen brachte sie ein Palett Toilettenpapier heim. Entweder hat sie da was verwechselt und denkt, Corona sei eine
Krankheit des Darmtraktes, oder es haben sich die Ernährungsgewohnheiten der Hamster in den letzten Tagen geändert. Das stellt auch für mich eine grosse Herausforderung dar. Ich bin seither auf der Suche nach guten Rezepten aus Toilettenpapier. Einigermassen akzeptabel geht Hakle vierfach gefaltet, paniert und frittiert zusammen mit der Tomatensauce aus den letzten Raviolidosen. Gibt aber auf die Dauer Verstopfung.

Angela wollte danach vorerst gar nicht mehr einkaufen gehen. Das war uns auch recht, wegen dem Toilettenpapier. Wobei das erstaunlich schnell in ihrem Bau verschwand. War sie beleidigt, weil wir ihre Einkäufe nicht so toll fanden? Nein: Zwei Tage später schauten sieben süsse Augenpaare aus dem selbstgebauten Nest aus Toilettenpapier heraus. Die Jungen wiederum warfen nach sieben Tagen ebenfalls Junge. Und diese wieder. Undsoweiter. Und alle kaufen Toilettenpapier. Unsere Wohnung platzt mittlerweile aus allen Nähten. Was haben wir da nur aufgelesen?

Also: Hamster zu verschenken! Gegen gute Rezeptideen aus Toilettenpapier.
Hakle Feucht


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