Ein Kater namens Sidi Brahim

Rauchzeichen

Fast ein Jahr ist es her, dass ich mein gutes altes Nokia 3410 «Nöki» nicht mehr habe. Kurz bevor es durch die Maschen des 3G-Netzes gefallen ist, habe ich es schändlich im Stich gelassen und mir ein neues gekauft. Dabei war es ein alter, treuer Freund, der mich lange in der alten rosaroten Babysocke begleitet hat, die meine Tochter in jungen Jahren erst getragen, danach mit einem Knopf zu einem Schlafsack für Nöki umgebaut hatte. Ich liebte es, weil es nur telefonieren und SMS senden und empfangen konnte und mich ansonsten die meiste Zeit einfach still und geduldig begleitete. Wie ein Hund, nur dass es viel weniger Futter und Aufmerk­samkeit brauchte, keine Hinterlassenschaften produzierte und auch nicht dauernd irgendwelchen Müll apportierte. Zum Milch einkaufen schicken konnte ich es allerdings nicht, da weigerte es sich standhaft, das zu lernen. Erst mit der Zeit hatte ich entdeckt, dass es noch andere Qualitäten hatte, zum Beispiel dass es Männchen machte, herrlich altmodische Spiele beherrschte, in denen Schlangen oder angefressenen Kuchen Schnaps-Kirschen hinterherrennen, und dass es Weltmeister im Handy-Weitwurf war. So robust wie Nöki war kein anderes. Es hat bei einem Haar sein Mutterhaus überlebt. Mit Nokia ging es nämlich eine Zeitlang ziemlich rapide bergab, nachdem der CEO von einem herumfliegenden Handy am Kopf getroffen und ausgeknockt worden war. Danach hat die
Firma, um zu überleben, die Herstellung von Handys zugunsten von Smartbumerangs aufgegeben.

Einen geeigneten Nachfolger zu finden, war für mich allerdings nicht ganz einfach. Ich wollte auch nicht zu viel Aufwand betreiben, da ich ein Handy ja eigentlich nur für Notrufe und Grüsse aus der Steppe brauche, und habe mir einfach erst mal für einen Franken Achtzig ein Handy in der Migros gekauft. Das ging ganz unkompliziert, nicht einmal einen Handyhalter-Ausweis musste ich zeigen. Allerdings musste ich ziemlich bald feststellen, dass es für die Büffeljagd völlig ungeeignet war. Es war viel zu schwer und hatte nie Empfang, und wenn man zu viel auf ihm rumdrückte, kriegte man schmierige Hände und das Lasso flutschte einem aus denselben. Dank der knallorangen Farbe ging es leider auch beim Weitwurf nicht verloren, aber irgendwann einmal war es leer, und ich durfte mich nach einem neuen umsehen.

Mein nächstes Handy besorgte ich nicht in der Haushalt-, sondern in der Elektronikabteilung. Das beherrscht zwar nun 4G, Whatsapp, Schach und Pegasus und hat sogar ein Covid-Zertifikat, hingegen frisst es mehr (Bluetooth!) und mit höheren kulinarischen Ansprüchen (Cookies, Datenlunchpakete) und kann ziemlich lästig sein. Dauernd piepst und klingelt, furzt, gorpst und schrillt es herum, um die Zuneigung zu erheischen, die ich ihm, wie seinen geduldigeren Vorgängern verweigere. Das nervt. Sogar so sehr, dass ich mittlerweile herausgefunden habe, dass es im Gegensatz zu seinem Vorgänger in
Sachen Weitwurf eine absolute Niete ist. Es kann nicht fliegen, ohne entgegen­kommen­den Möbelstücken korrekt auszuweichen! Nicht einmal dann, wenn ich es vorher in den Flugmodus umschalte.

Beim dritten Nachfolger dieses Nachfolgers – ich habe unterdessen ein Handy-Abo – habe ich dann endlich herausgefunden, wie ich diese nervigen Töne abstellen kann. Allerdings verstehe ich die Leute, die mich anrufen, immer sehr schlecht wegen dem Pflaster1. Bis ich das abgenommen habe, hat der Anrufer meisten schon aufgelegt und seinen neuen Mobilfunk­kommunikations­vertrag mit Flachrate, Goldfisch und Doppeldeckergarantie einem anderen verkauft, was mir auch recht ist. So Zeugs kann ich eh nicht gebrauchen in meinem Wigwam. Ich finde sowieso, dass wir zu viel quatschen. Das schöne ist, dass dieses Pflaster auch gleich ein praktischer Filter ist, um wichtige von unwichtigen Gesprächen zu unterscheiden. Wenn meine Frau anruft, weil ich vergessen habe, Büffelmilch einzukaufen, dann sehe ich das sofort, weil es unter dem Pflaster hervorzuqualmen beginnt. Dann zünde ich erst mal in Ruhe meine Friedens­pfeife an und fange an, mein neues Handy zu dressieren.
Häuptling Faules Büffelmaul

1Besonders geeignet: Compeed Sprechblasenpflaster

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