Ein Kater namens Sidi Brahim

Diogenes gegen Djokovic

Wer gewinnt? Natürlich Djokovic. Warum? Weil Diogenes nicht mit den Muckis denkt.

Psychologen an der Universität Innsbruck haben herausgefunden: Wir kaufen mehr ein, wenn unser Einkaufswagen die Griffe einer Schubkarre hat, als wenn wir ihn mit einer Querstange rumschieben. Der Grund liegt darin, dass unsere Oberarmmuskulatur den Einkaufszettel ersetzt. Der Bizeps ist konsumfreudiger als der Trizeps. Das ist ein sehr interessanter Befund für die Evolutions­biologen, die schon seit langem an der erstaunlichen Entwicklung des Mannes vom Mammutjäger zum Harley-Davidson-Fahrer herumknobeln. Sie vermuteten lange, dass diese eigenartige Spezies das Denken, Handeln und Überleben mit Hilfe eines Grosshirns und zweier Kleinhirne bewerk­stelligt, die im Schritt zu verorten sind. Unerklärt blieb bei dieser Theorie die Beobachtung, dass auch Frauen, die ohne diesen Denkapparat auskommen müssen, mindestens so gut denken, rational handeln und einkaufen wie Männer. Jetzt weiss man es besser: Die menschliche Hauptzentrale für Denk- und Handlungssteuerung liegt eine gute Stufe weiter oben, also in dem gummigen Gewebe, welches an den Oberarmknochen angemacht ist und beiden Geschlechtern zur Verfügung steht. Die ausserordentliche Bedeutung des Bizeps und seine Dominanz gegenüber dem Trizeps entstand wahrscheinlich im Pliozän, als die
Männer anfingen, Mammuts zu jagen. Mammuts sind bekanntlich etwas unhandlich, und es bot sich an, ein erlegtes Exemplar mit den Stosszähnen wie eine Karrette nach Hause zu schieben.

Etwas später erfand die Menschheit das Rad. In der Folge wurden die Mammuts noch stärker bejagt und starben kurz darauf aus. Dann ging der Bizeps für einige Zeit in Vergessenheit, und die Griechen erfanden die Philosophie. Die Philosophie wird vorwiegend mittels einer grauen etwas schwabbeligen Masse betrieben, die sich noch etwa weiter oben als der Bizeps befindet, nämlich unterhalb der Schädeldecke. Man vermutete in ihr lange ein disfunktionales Überbleibsel wie der Schwanzfortsatz, das man auf diese Art etwas besser zu nutzen versuchte. Satt machte das allerdings nicht wirklich. Selbstgenügsamkeit und andere Exotismen schwurbelnd krochen die alten Griechen mit knurrendem Magen auf dem staubigen Boden herum, hauten sich in die Tonne und starben ebenfalls bald aus. Und der Bizeps bekam langsam wieder Oberhand. Das mechanistische Weltbild entstand, Schwerter wurden geschmiedet, Kaiserreiche wurden erobert, und die Kaiser hielten als Zeichen ihrer Macht eine Art Hantel in ihrer rechten Hand. Mit Hilfe der Hebelwirkung dieser Hantel übten sie das schwierige Geschäft des Regierens aus.

Der wahre Treiber der evolutionären Wertschöpfung war also schon immer der Bizeps. Jetzt wird klar, was Darwin mit seiner Aussage «Survival of the Fittest» gemeint
hatte, warum Fitnesscenter besser laufen als Bibliotheken und warum die Gottesanbeterin nach der Begattung ihren Gatten frisst. Man weiss jetzt auch, wann und warum der Mensch begonnen hat, aufrecht zu gehen und warum bei dieser Entwicklungsstufe ebenfalls die Frauen etwas schneller waren: Das geschah 1913, als Aldi gegründet wurde und erstmals Wegwerfwindeln in Grosspackungen verfügbar wurden. Die Männer zogen nach, als das Sixpack auf den Markt kam. Die Kulturtechnik der Bizepsnutzung wurde kürzlich zu Recht zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Mittlerweile wurde die bereits legendäre intellektuelle Überlegenheit des menschlichen Bizeps gegenüber allen anderen Geschöpfen noch weiter verfeinert und das Tennis erfunden. Von Diogenes spricht heute keiner mehr, Djokovic kennt hingegen jeder.

Aktuell scheint der Intellekt der Menschheit allerdings etwas überstrapaziert worden zu sein und an Muskelkater zu leiden. Djokovic, unser führender Intellektueller, lebt momentan zwangsweise etwas tennisarm. Ich hoffe schwer, dass er in dieser Krise sein Genie trotzdem hochhalten kann und nicht etwa plötzlich mit dem Kopf zu arbeiten beginnt. Sonst gewinnt Diogenes doch noch.
Old Shatterhand


>bilder
>home >archiv