Ein Kater namens Sidi Brahim

Wellness

Ja, es ist Krieg, die Erde bebt und unser Nachbar fällt vom Balkon. Aber ich lass erst mal ein heisses Vollbad ein, checke die Börsenkurse und hole eine Flasche Veuve Cliquot aus dem Keller. Der Krieg findet schliesslich in irgendeinem arabischen Land auf der Achse des Bösen statt, also ohne mich, und vielleicht werden dabei ein paar Ölpipelines zerstört und der Ölpreis steigt, aber mein Tank ist ja noch voll, auch nach dem Vollbad. Nach dem Erdbeben, das war glaube ich in China, oder war’s in Japan? hat die Börse in New zwar kurz gehustet. Da der Himmel unmittelbar darüber aber weiterhin blau war und auch alle Hochhäuser noch gestanden sind, sind die Kurse danach mit neuem Enthusiasmus wieder gestiegen und ich habe daraufhin in einer spontanen Reaktion einen Zehner für die armen Opfer gespendet. Nur der Nachbar, das war wirklich in der Nähe. Aber der olle Kerl war mir eh schon lange unsympathisch, der hat Samstags immer Rasen gemäht und seine Zehennägel auf dem Balkon geschnitten – das kommt davon! - und ich bin ganz froh, wenn da mal eine neue, junge, dynamische Familie reinkommt. Nur Kinder und Katzen sollten
die bitte nicht haben! Und Rasen und Zehennägel natürlich auch nicht.

Mittags bin ich mit meinem Cherokee in die Stadt gefahren, um beim Vatter Bio-Ananas, Max-Havelaar-Kaviar und Farfalla-Badeöl mit ayurvedischem Nashorn-Extrakt zu kaufen. Das gibt mir das gute Gefühl, der Welt zu helfen: Die armen Neger in Nicaragua haben ja nichts zu beissen, wenn ich ihre Ananas nicht kaufe, der Stör ist ein böser Raubfisch, und was soll man mit den Nashornhörnern denn noch machen, wenn die Tiere schon geschlachtet sind? Etwa wegschmeissen? Ausserdem: Der Cherokee fährt mit Bio-Diesel, der in Brasilien gewachsen ist, nämlich dort, wo sowieso kein Urwald mehr wächst, weil dieser abgebrannt ist. Den Salat kaufe ich übrigens nicht beim Vatter, der ist dort zwar Bio, aber man weiss ja nie, ob er neben einer Autobahn wächst. Ich habe da einen feschen Bio-Lieferanten aus Bonfol, garantiert weit weg von der nächsten Autobahn, der bringt ihn mir persönlich zweimal die Woche vorbei. Schön gross und grün. Soviel Gutes tun tut schon fast weh, deswegen gönne ich mir über Weihnachten einen Flug in die Malediven zum Schnorcheln und Bananen essen. Fair Trade und Bio natürlich auch die (also die Bananen natürlich), die kriegt man dort im Aldi und da kann man dann wenigstens
auch sicher sein, dass die nicht irgend ein Aidskranker schon in den Fingern gehabt hat. Apropos Vatter: der macht ja jetzt leider dicht, und im Hallerladen verkaufen sie keine Ananas, weil die blöden Bauern im Seeland das nicht hinkriegen. Kennt jemand einen brauchbaren Bioladen, also einen, der etwas globaler denkt als diese selbstgestrickten Heinis?

So, ich muss jetzt. Die Wanne ist voll und meine Putzfrau hat geklingelt, eine nette Tamilin, die sich so ihr Zubrot verdient. Ich geb ihr dann immer den Rest von der Bio-Ananas, dem Salat oder so mit - sie hat schliesslich fünf Mäuler zu stopfen. Aber das muss ich ihr natürlich vom Lohn abziehen als Naturalien. Wo kämen wir sonst hin? Den Rest kriegt sie aber bar auf die Hand, sonst muss sie’s eh nur versteuern.

Während nun mein Putzengel mit der Sauberflöte durch die Wohnung schwebt, liege ich im warmen Nashorn-Schaum und träume von einer friedlich durch unergründlichen Urwald schaukelnden Karawane, als es plötzlich klingelt. Mist, den Salat aus Bonfol hatte ich ganz vergessen!
Susi Jacuzzi

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