Ein Kater namens Sidi Brahim

Quorn, Knark und Quietsch

Sommer - die Jahreszeit, in welcher aus dem heissen Büro flüchtende Männer ihre Krawatte vom Leib reissen, mit blutunter­laufenen Augen aus der nächsten Migros Wagenladungen voll in groteske Formen geschnipselte Leichenteile schleppen, um diese alsbald mit Brandbeschleuniger zu bepinseln und in Freilandkrematorien einzuäschern. Arme Kreaturen, die selber, ausser eben in diesem erbarmenswerten Zustand, nie Freiland zu sehen bekommen haben. Ihre Seelen sowie diejenigen von Salmonellen, Antibiotika und Colibakterien steigen als dünne Räuchlein von Waldrän­dern, Balkonen und hinter Gartenzäunen auf. Menschen, die Jonathan Safran Foers Buch "Tiere essen" gelesen haben oder sich sonst mit den Kehrseiten der industriellen Tierhaltung beschäftigt haben, assoziieren mit diesen allgegenwärtigen Grilldüften, mit dieser olfaktorischen Endlösung unweiger­lich den Holocaust. Und wenden sich der vegetarischen oder mindestens fleischarmen Küche zu.

Zum Glück hat sich die Lebensmittelindustrie allerhand Surrogate für das Fleisch einfallen lassen, damit man auf die zur Gewohnheit gewordene heilige Speisedreieinigkeit Fleisch - Gemüse - Beilage nicht verzichten
muss. Allerdings: Wer schon mal in einen Quorn gebissen hat, der weiss wieso der Quorn so heisst. Gut, er könnte genauso gut Knark oder Quietsch heissen. Warum eigentlich muss vegetarische Küche so traumatisierend sein wie Spinnen küssen? Warum ist ihr einziges Ziel, einen Realersatz für das T-Bone-Steak zu erfinden, was meistens darin endet, dass man sich zuletzt alle vegetarischen Vorsätze über Bord werfend wie ein T-Rex auf ein reales T-Bone-Steak stürzt? Hand aufs Herz: Wovor graust Ihnen mehr: Vor Kakerlaken in den Socken oder dass Ihnen im finsteren Vorratskeller unvermittelt ein Quorn entgegenkommt? Hitchcook hätte seine Freude gehabt, hätte es diesen fermentierenden Untoten schon zu seinen Lebzeiten gegeben. Noch schlimmer als der Quorn ist der Tofu, der Ur-Frankenstein unter den Fleischersätzen. Der Tofuburger auf dem Teller erinnert einen doch nur daran, dass da auch ein Kotelett liegen könnte, nur dass es eben leider keines ist, sondern ein absolut geschmackfreier badeschwammähnlicher kulinarischer Alien, ein drittklassiger Baustoff aus einem asiatischen Bastelgeschäft. Als Traumatherapie für unbegabte Heimhandwerker geeignet, aber nicht für die Befriedigung der Libido.

Das Problem ist die genannte Speise­dreieinigkeit. Solange die vegetarische Küche nur Fleischersatzküche ist, ist sie
unbefriedigende Zweitklassküche. Das funktioniert nicht, das dritte Teil fehlt dann immer. Das Fleisch ist billig und der Geist ist schwach. Man muss erst diesen zähen Faserlappen vom Teller und aus dem Gedächtnis verbannen, so tun, als gäbe es das Fleisch gar nicht. Das heisst: Ganz anders kochen, mit reellen Lebensmitteln, nicht mit Ersatzstoffen, die nur die Erinnerung transportieren. Zum Beispiel mein Lieblingssommergericht:

Parmigiata di Melanzane: 3-4 Auberginen in Scheiben schneiden, salzen und etwas bluten lassen (das hilft vielleicht , die letzten carnivoren Anwandlungen auszutreiben). Dann abtrocken und in Olivenöl beidseitig braten. Ca. 1 ½ Pfund Tomaten kleinschneiden, mit feingehacktem Peperoncino, Origano, 2-3 gepressten Knoblauchzehen und Salz mischen. Zwei Mozzarelle di Buffala in Scheiben schneiden und zwei Bund Basilikum grob hacken. Auberginen, Tomaten, Mozzarella und Basilikum abwechselnd in eine Auflaufform schichten, zuletzt mit geriebenem Parmesan bestreuen. 1/2 Stunde bei 180-200 Grad backen.

Wer dazu noch Quorn, Knark, Kotelett, Quietsch oder Keule braucht, ist hoffnungslos verloren.
Gammelfleisch

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