Ein Kater namens Sidi Brahim

Herbie, der Schrecken der Strasse

In einer Gewitternacht anfangs des einundzwanzigsten Jahrhunderts wurde er klammheimlich in einem Landschulhaus ausgesetzt. Neben ihm fand man die ausgezehrte Leiche einer jungen Biologie­lehrerin. Er kennt keine natürlichen Feinde, ausser dem versehentlichen Ausleeren durch zerstreute Zweitklässlerinnen, und vermehrt sich rasend schnell über den ganzen Kontinent. Heute gilt er als unausrottbare Landschulhausplage. Hinter jeder Klassenzimmertüre, in jeder Znünibox, unter allen Schirmmützen lauert er. Plötzlich schlägt er zu. Seine Verdauung riecht man von weitem. Und verfällt ihr sofort.

Er ist die meistgehandelte Droge auf dem Schulhausplatz - noch vor Facebook, Nanos, Paninis und Carambars. Er kostet nichts, haart nicht, scheint harmlos und schleicht sich sofort in die Herzen und Mägen aller Kinder und Mütter. Und plötzlich hat man neben dem Gabbeh, der einflügeligen Fliege und der einohrigen Katze einen Fürsorgefall mehr in der Familie. Nur: während der Gabbeh sich ausschliesslich von verlorenen Fliegenflügeln und Katzenohren ernährt, will er mehr. Und noch mehr. Und immer noch mehr. Hier eine Tasse Milch, dort eine Tasse Zucker, da eine Tasse Mehl. Und wehe, er
kriegt sie nicht. Dann kann er sich schlimmer benehmen wie die einohrige Katze, wenn die ihr Wochenendfrischfutterbeutel nicht kriegt. Oder der Gabbeh, wenn er seine Fliegenflügel nicht kriegt. Bald wird er hinter meinen Weinkeller gehen.

Das geht mehr ins Geld als eine zöliakie­kranke Tochter. Aber glaube ja nicht, du könntest Unterstützungsbeiträge bei der Fürsorge oder der IV beantragen oder ihn von der Steuer absetzen. Im Gegenteil: Er hat keine Sozialversicherungsnummer, und du brauchst bloss seinen Namen zu nennen und schon wirst du erleben, wie der Schalter plötzlich zu ist, wenn die Reihe endlich an dir ist, die Bustüre klemmt und sich Bekannte stumm von dir abwenden. Der Postbote klingelt nicht mehr um Kaffee, sondern wirft die Briefe ein. Der Milchmann, der das Geschäft seines Lebens machen könnte, ändert seine Route. Und der Feigenbaum der Nachbarn trägt einen Mundschutz. Immerhin: Mitleid glitzert in aller Augen, stumm sagen sie: ich würde ja gerne hefen, aber...

Dann aber, nach zehn Tagen ist es so weit. Süss ist seine Rache und deine. Du holst die sargförmige Blechschale hervor, heizt ein, es beginnt verführerisch zu duften...

Aber erst wird geboren. Nun sind es deine Augen, die glitzern. Süss ist seine Rache
und deine. Drei Kinder alle zehn Tage. Ausleersicher verpackt werden sie nach dem Schneeballsystem zur Adoption freigegeben. Gnadenlos auf dem Schulweg verteilt. Auch wenn man sich dabei strafbar macht. Ablehnen darf sie keiner, sonst ist er ein Monster, ein herzloser Barbar.

Wer ist es: Australische Kaninchen? Japanischer Knöterich? Tamagotchi? Hühnergrippe? Frankenstein? Nein, viel besser: Es ist Herbie! Herbie die Hefe!

"Nach der anstrengenden Geburt meiner drei Kinder habe ich grossen Hunger. Füttere mich deshalb mit 200 Gramm Butter, 1 Päckli Vanillezucker, 3 Eiern, 2 Tassen Mehl, 1 Päckli Backpulver und einer Tasse Zucker. Wenn du willst, kannst du mich mit Mandeln, Nüssen, geraspelter Schokolade, Kokospulver oder Früchten verwöhnen. Nachdem du mich gut umgerührt hast, bin ich bereit, mich in deiner Cakeform 60 Minuten bei 170 Grad backen zu lassen."

Ähnlichkeiten mit anderen Lebewesen, Kefirparties in den 70er Jahren oder Untoten sind rein zufällig und gewollt.
Saccharomyces

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