Ein Kater namens Sidi Brahim

Pomerol und Pomeranzen

Das klassische Dilemma des Geniessers: Es ist Sonntag, und dem Kind (um ehrlich zu sein, auch den Alten) zuliebe gibt es zum Abendbrot Ofenpommesfrites und Bratwurst. Die Eltern haben aber Lust, wieder mal einen richtig feinen Wein zu trinken, um den anstehenden Montag­morgen noch etwas länger von sich fern zu halten, also gibt es einen fünfzehnjährigen Amarone guter Provenienz.

Das darf ich ja, in bestimmten Kreisen als Weinkenner verschrien, keinem erzählen, dass wir Amarone zu Fritten schlürfen. Daher wurde bestimmt, dass erst nach abgeschlossener Mahlzeit angestossen wird. Nun, wir wurden doch schon vorher schwach und stellten mit Erstaunen fest: Amarone passt gar nicht übel zu Fritten. Doch einigermassen erstaunt drehte ich die Flasche um und las auf dem Rücketikett: "Passt vorzüglich zu Pommes rotweiss und Bouletten".

Natürlich stand das nicht dort, sondern nur in meiner imaginierten Verteidigungsrede gegenüber all den mich entsetzt anstar­renden Coönophilen. Auf einer Rücketikette eines fast vierzig Franken kostenden Weines steht eher "Passt ausgezeichnet zu doppeltem Trottellummentournedos Rossini an Albatrüffelhundsauce und in Meer­schweinchenbutter sautierten Steiermark­eierschwämmen", und zwar auf lateinisch.

Diese "passt zu..." Texte auf den Weinrücken sind aber in der Regel einfach lapidar. Wussten Sie, dass pro Kopf in der Schweiz rund ein Kilo Fleisch pro Woche
gegessen wird? Und dass es prozentual ungefähr gleich viel Abstinenzler wie Vegetarier gibt? Zufall? Keineswegs! Steht doch auf neun von zehn Weinetiketten: "Passt zu Fleisch". Das ist ja wunderbar, da wäre ich nie drauf gekommen. Das ist ungefähr so originell wie "Mann passt zu Frau" oder "Hund passt zu Haufen". Und trotzdem grenzt es unnötig aus: Jetzt habe ich leider keinen Cervelat-Salat, sondern Pilze zum Essen gekauft, und auf der letzten Flasche Barbera aus dem Keller steht: Passt zu Fleisch! Mist. Das Bier ist alle und an den Wodka hat man schlechte bis gar keine Erinnerungen. Also Tee oder Putzessig. Je spezifischer dieses "passt zu", desto hungriger oder durstiger geht man ins Bett. Darum kaufe ich auch nie Pomerol: Der passt zu Pomeranzen und Pomade, also nicht zu mir.

Wer seinen Wein allerdings möglichst gut absetzen will, sollte sich lieber noch allgemeiner halten, sollte auf den Hintern seines Weines zum Beispiel "Passt zum Bumsen" tätowieren. Ein Strichcode genügt auch. Dann geht der natürlich weg wie Viagra. Wer jedoch Geld verdienen will an seinem Wein, muss ihn mit edlen Ingredienzen konnotieren. Neulich holte ich beim Grossverteiler einen Kalterersee ohne Jahrgang im Litertetrapack aus dem Regal - natürlich um den Schweinebraten zu marinieren - und war dann etwas erstaunt, als das Fräulein an der Kasse sagte: "macht neunundfünfzig Franken fünfundneunzig". Ich fragte, ob denn das stimmen könne, da drehte sie stumm die Packung um und zeigte mit spitzem Finger drauf: "Passt zu Foie Gras". So schlachteten wir halt schweren Herzens Gustav und tranken den Kalterersee dazu. Hat natürlich geschmeckt, bei dem Preis. Den Schweinebraten gaben
wir der Katze und den Châteauneuf dem Ficus, weil da gar nichts hinten draufstand. Wir wollten ja nichts riskieren. Und der Ficus hat auch nicht reklamiert, nur etwas geschwankt und gesungen.

Es gibt allerdings Sachen, da bin ich echt ratlos, was für einen Wein ich dazu servieren soll. Versuchen Sie einmal, einen passenden Tropfen zu Spaghetti al diavolo, zu Knollenblätterpilzragout oder zu frischem Knoblauchfurz zu finden: Sogar in ausgewiesenen Fachgeschäften schüttelten sie nur den Kopf oder riefen die Polizei.

Sorgen macht einem ja nicht nur die zunehmende Produktebindung der Weine, sondern auch sein Inhalt. Vor Jahren noch waren im Wein vor allem Wasser und Alkohol sowie diverse geschmacks- und sinnstiftende Stoffe. Dann stand plötzlich auf jeder Flasche "enthält Sulfite". Dieser als Warnung gemeinte Text dient eigentlich eher zur Beruhigung, denn fehlt er und der Wein ist älter als zwei, drei Jahre alt, dürfte er wohl eher so schmecken wie das weisslichgrüne Objekt oder die exodierende Weisswurst neulich im Kühlschrank. Die EU schreibt neu nun vor, dass Spuren von Behandlungsmitteln auf Milch- oder Eierbasis deklariert werden, z.B. Schönungsmittel. So dürfen wir nun bald Weine trinken, auf denen steht: "Dieser Wein hat Eier und Schwefel und passt zu genmanipulierten Schweinen". Prost.

Übrigens: auf dem Amarone stand: ein Wein zum Meditieren. Ich halte mich also bloss an die Vorschriften.
Benjamin Ficus

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