Ein Kater namens Sidi Brahim

Vesuv für Anfänger

Kosmos - bring den Vulkan zum Ausbruch! So vielversprechend stand es auf der Schachtel, die Eva zum Geburtstag gekriegt hatte. Neben selber gebastelten Plattenverschiebungen, Kartonseismo­graphen und Badewannentsunamis gab es eine Anleitung samt allem Material, das notwendig ist, um einen echten Indoor-Minivulkan zum Ausbruch zu bringen. Natürlich war es das erste, was wir in die Finger nahmen. Zuerst hiess es einmal, die kleinkindergerechte nicht verschluckbare Karton-Schutzbrille anziehen und sich durch mehrere Seiten Vorsichtshinweise hindurchkämpfen. Mann, wir wollten doch keine Kernschmelze basteln! Schon fast entmutigt liess uns der lakonische Hinweis am Ende, dass alles verwendete Material cäsium- und poloniumfrei sei, sich somit nicht für die Verpflegung von reichen Schwiegermüttern eigne und schadlos im Hauskehricht entsorgt werden könne, wieder Mut schöpfen. Mit Schere, Leim und Salatsieb gerüstet wagten wir uns ans Werk.

Zuerst hiess es, das Model des Vulkans mit einer Höhlung innen für die Lavamaschine und einem Loch oben als Krater aus einer Sagexschale herauszutrennen. Wer schon einmal Sagex geschnitten oder gesägt hat, weiss allerdings, was es mit der sogenannten Produktehaftung auf sich hat. Die kleinen weissen Sagexkügelchen sind
anhänglicher als unsere Katze, wenn der Napf leer ist, und das will was heissen. Noch Tage später fand ich sie (die Sagexkügelchen, nicht die Katze) im Bett, in der Unterhose, Kloschüssel und auf der Geburtstagstorte wieder. Dann wurde es spannend: es kam die Chemie: Zuerst galt es, zwei Teile Gips mit einem Teil Wasser und roter Farbe zu einem rosaroten Brei zu mischen. Zwei Pülverchen kamen dazu, in eine Flasche mit langem Hals, kurz schütteln, das ganze unter den Vulkan stellen und schon brodelte bläschenreich, jedoch unter vollständiger Einhaltung der TÜV-Vorschriften der Lillifeepudding aus dem Krater und vermählte sich mit Prinz Sagex. Süss. Kein Rauch, keine giftigen Gase, keine Erdbeben, wirklich nett und harmlos, so ein Playmo-Stromboli. Weil aber noch nicht alles schön mit Lava verdeckt war, wiederholten wir das Experiment noch mal. Leider war die rosarote Mischung beim zweiten Mal irgendwie zu zähflüssig und blieb wie ein schwitzender Kitsch-Emmentaler in der Flasche stecken. So liessen wir das ganze erst mal trocknen und beschlossen, am Sonntag die dritte ultimative Eruption stattfinden zu lassen.

Am Sonntagabend wollten wir es dann natürlich noch mal richtig gut machen. Sorgfältig wurde die Gipsbrühe angerührt und die Pülverchen gemischt, vielleicht ein kleines bisschen mehr als bei den ersten beiden Malen. Weil es beim Zusammenschütten und -schütteln erfahrungsgemäss schnell gehen muss, überliess Eva diesen letzten Schritt Papa, dem unterdessen erprobten Pompejianer.
Seither wissen wir, warum unsere Urahnen ihre Vulkane in der Regel draussen vor dem Haus pflanzten, und zwar nicht im Vorgarten, sondern besser ein paar Dörfer weiter. Die Dinger sind einfach ziemlich launisch. Nur in Pompeji hatte man eine Ausnahme gemacht und sie ausnahmsweise ins Haus gelassen - und es bitter bereut. So sollte es auch uns gehen. Wacker schüttelte ich die Flasche mit der Absicht, sie blitzschnell unter den Krater zu stellen. Nun ja, ich bin halt Berner. Leider war die rosarote Diarrhö stärker als mein Daumendruck und ejakulierte im Umkreis von fünf Metern. Wir schauten uns an wie zwei minderjährige beim Schmusen erwischte Marienkäfer. Gesichter, Kleider, Tisch, Boden, Wände, Lampe, alles sah aus wie die neue Masern-Impfkampagne des Bundes. Der Kraftausdruck, der von Vaters gesprenkelten Lippen flutschte, passte nicht ganz zum lieblichen Prinzessinnen-Ambiente. Liebe Mobiliar...

Es folgte eine gut einstündige Familien-Putzorgie zur Entseuchung der Wohnung. Anschliessend hielten wir es ganz genau mit der Anleitung und entsorgten Vesuv II im Hauskehricht im allseitigen Einverständnis und unter grossem Jubel von Frau Thoma und Herrn Gasche. Schliesslich hatten wir genug gelernt über Vulkanismus: Auch Mutter Erde hat zwischendurch mal Blähungen und Durchfall. Wehe, man hält sich dann gerade in der Nähe eines Vulk-Anus auf.
Immodium

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