Ein Kater namens Sidi Brahim

Gripenwelle

Trotz riesigen Restbeständen an Tamiflu: Sieben Jahre dauert sie nun schon an, die Gripenwelle, die unser armes kleines Land heimsucht. Am 17. Mai ist endlich Abstimmung, und wir werden wissen, ob wir die Krankheit besiegt haben oder sie uns.

"Luftpolizeidienst". Diesen Ausdruck hörte ich im Vorfeld dieser Abstimmung zum ersten Mal in meinem Leben. Er hat eingeschlagen wie eine Fliegerbombe. Ich war hin und weg schon allein vom heroischen Klang des Wortes, und mir war sofort klar, dass so etwas wie Luftpolizeidienst zwar lästig und teuer, aber absolut notwendig ist, so wie Sozial­tourismus, Annahmestellen Biomasse und Rhonedampf­schiff­fahrts­gesell­schafts­kapitän­mützen, und es unsere nationale Verantwortung ist, dafür geradezustehen, wozu auch immer und koste es, was es wolle.

Der Ausdruck demonstriert auch, welch friedliche Absichten mit dem neuen Flugzeug verfolgt werden. Es soll ja selbstverständlich nur für zivile und humanitäre Einsätze verwendet werden. Man kann damit zum Beispiel verirrten Störchen den Weg nach Süden zeigen, Tamiflu über Krisengebieten oder Schulmaterial über ländlichen Gegenden abwerfen, in denen die Steuergelder nicht mehr für eine ordentliche Schule reichen. Nötigenfalls kann man damit in Mühleberg sogar Wasser über einem brennenden AKW abwerfen.

Ueli Maurer beklagt sich, dass das Referendum gegen die Gripenbeschaffung als Votum für oder gegen die Armee missbraucht wird. Kein Wunder, betont er doch immer wieder, dass die Armee den
Gripen brauche, und nie, dass das Volk den Gripen brauche. So stellt sich ja automatisch die Frage, ob das Volk die Armee brauche. Nein, eigentlich stellt sich die Frage nicht, sie wurde von unserer umsichtigen Landes­regierung längst beantwortet - die Gegengeschäfte sind bereits getätigt und mindestens einen Gripen hat die Schweiz ja schon: Er steckt am Revers von Ueli Maurers Anzug, wenn Maurer öffentlich an Interviews zu dem Thema antritt. Und der scheut sich auch nicht davor, ihn bei dieser Gelegenheit einzusetzen, um den Luftraum um sich herum zu verteidigen. Er sieht dann zwar immer aus wie ein Achtjähriger, der töipelet, weil er nicht tschutten gehen darf, aber das demonstriert eindrücklich, dass auch im Land der Gartenzwerge, Garagen­dach­begrünungen und Gebrauchsgegen­stände eigentlich unvorstellbare Konflikte möglich sind, gegen die es sich zu wappnen gilt: z.B. dass Nachbars Toni uns den Playmobil Darth Vader wegnimmt, Liechtenstein einmarschiert, der Iran notfalls mit Waffengewalt die friedliche Nutzung der Atomkraft in der Schweiz unterbinden will , Kim Jong-un die Coiffeur­salons in Köniz annektiert oder die Garten­zwergbefreiungsfront nach Osten vorrückt. Wir müssen darauf vorbereitet sein.

Eigenartig nur, dass das Risikobewusstsein nicht überall gleich gut ausgeprägt ist. Warum werden, um dem verschwindend kleinen Risiko eines Luftwaffenschlags des Iran gegen Mühleberg zu begegnen, für gut 3 Milliarden Franken Flieger angeschafft? Man könnte doch das Ding, das eh viel zu teuren Strom erzeugt, einfach abstellen, viel Geld sparen und damit erst noch das viel grössere Risiko, dass das AKW ohne iranische Beihilfe über den Jordan geht, eliminieren. Nun, der Grund ist ganz einfach: Die Flieger braucht es nicht nur, um diesen Schrotthaufen, sondern auch unser teuerstes Gut zu beschützen: die Demokratie und das Recht auf die freie
Meinungsäusserung. Dieses Gut ist so teuer, dass es mit einem Teil unserer Stromzahlungen und finanziellen Zuwendungen des schwedischen Saab-Konzerns unterstützt werden muss. Solchermassen gestärkt können wir getrost objektiv und frei unsere Meinung in der Abstimmung vom 17. Mai äussern.

Und man darf nicht vergessen, dass die Armeen weltweit einen namhaften Beitrag gegen die Überbevölkerung und für die Wirtschaftsförderung leisten. Wenn in einem Krieg nur eine Armee da ist, langweilt die sich schnell. Die Soldaten wissen nicht recht, was tun, stehen gelangweilt herum wie letzthin auf der Krim, und das ganze sieht dann so unmotiviert aus wie eine Horde Jugendlicher am Samstagnachmittag vor der Migros, wenn dem Fussball die Luft ausgegangen ist. Ausser dass es zusätzlich noch ein paar Brandschatzungen und Vergewaltigungen gibt, wenn man schon dafür ausgerüstet ist. Besser ist es, wenn mindestens zwei Armeen dabei sind, dann können die sich gegenseitig ihr Spielzeug zeigen, und am Ende ist wenigstens alles schön kaputt, und man hat wieder Platz, um neues Spielzeug zu bauen. Es ist ein Gebot der Fairness, auch am Spiel mitzumachen, und zwar mit anständigem Spielzeug.

Apropos Spielzeug: Denkt an unsere Kinder. Wollt ihr wirklich, dass diese in hundert Jahren völlig ungeschützt zwischen romantisch überwachsenen Ruinen von Schulhäusern und Kernkraftwerken spielen müssen?

Daher: Gebt dem Ueli einen Fussball, einen aufgeblasenen natürlich, und eine neue Frau. Und impft ihn endlich gegen Schweinegripe.
Bomblebee

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