Ein Kater namens Sidi Brahim

Mit Globuli gegen die globale Ebola

Dem Globus rinnt der Fieberschweiss wieder mal in Strömen von der Stirn. Da nutzt man drinnen die Zeit, darüber nachzudenken. Obwohl: nötig wäre das nicht, hat doch unsere Landesregierung alles im Griff: Trotz der epochalen Niederlage der Volksinitiative "Energie- statt Mehrwertsteuer" hat sie mutig ihre Energiestrategie 2050 präsentiert.

Wichtigster Eckpfeiler derselben ist eine sogenannte Lenkungsabgabe. Lenkungsabgaben sind ja, wie man weiss, die einzige Möglichkeit, ein Umdenken zu bewirken, weil sie nicht beim Verstand, Idealismus, Willen, Vernunft, Zurechnungs­fähigkeit, Mitleid oder anderen evolutionären Abfallprodukten ansetzen, sondern dort, wo wir uns wirklich vom Affen unterscheiden: Bei der hinteren Gesässtasche. Leider ist der Mut der Landesregierung nach dem Aussprechen des Wortes 'Lenkungsabgabe' deutlich schneller als der Energieverbrauch gesunken, sie ist deswegen nur auf Brennstoffen und Strom vorgesehen in einer homöopathischen Dosis, bei der alle Ökonomen glaubhaft versichern, dass sie tatsächlich wie Alternativmedizin wirken wird, nämlich gar nicht. Sie wird allen Leuten schlicht unbemerkt an der hinteren
Gesässtasche bzw. dem dahinterliegenden Weichteil vorbeigehen. Es handelt sich also eigentlich um eine sprachliche Ungenauig­keit oder diplomatische Fähigkeit unserer Regierung, nämlich um eine Ablenkungs­gabe. Lasst uns an den Plazebo-Effekt glauben!

Noch samthandschuhlicher als der Strom und die Brennstoffe werden die Treibstoffe abgelenkt, nämlich gar nicht. Die Automobilindustrie und ihre Komplizen haben schliesslich ausgezeichnet zusammengearbeitet und bereits sämtliche Ziele erreicht: Dank grossen technischen Innovationen der Messlabore und Autobauer konnte der nachgewiesene Treibstoffverbrauch pro Auto gegenüber dem effektiven auf der Strasse um durchschnittlich sensationelle 38% gesenkt werden, so dass trotz grösserer Autos, stärkerer Motoren und schwerer Füsse erstaunlicherweise weniger Benzin verbraucht wird, ausser beim Tanken. Das Perpetuum Mobile steht tuckernd und stinkend vor der Tür - erstaunlich wenn man bedenkt, dass noch vor wenigen Jahren ein Swatchmobil undenkbar schien. Solange wir nicht in Versuchung geraten, diese virtuellen Gewinne (oder Verluste? wer weiss das schon so genau?) zu realisieren, läuft das wie geschmiert weiter, wie an der Börse.

Unbeeindruckt, ja unbelehrbar giesst es draussen weiter, die Aare tritt wieder mal
über die Ufer, und alle, die auf der Strasse unterwegs sind, geben sich Mühe, den Treibstoffverbrauch ihrer Turbolader nicht nur in der Garage, sondern auch auf der Strasse zu senken, indem sie möglichst schnell von A nach B gelangen. So dürfen wir zuversichtlich sein, dass wir in ein paar Jahrtausenden den Klimawandel vielleicht doch noch in den Griff kriegen.

Derweilen wird in den Klimawandelhallen hoch über der Aare und der Sintflut der Energiestrategie noch das letzte Zähnchen gezogen. Wie Rosemaries Baby stapft sie durch den Schlamm und hinterlässt metertiefe ökologische Fussabdrücke. Damit unsere Kinder nicht da reinfallen, drin ersaufen oder gar spielen müssen, werden die schnellstens zugeteert und mit Sicherheitslinien übermalt. Und sollten die Kinder dann unberechtigterweise Himmel und Hölle auf den Sicherheitslinien spielen wollen, dann sind sie eben selber schuld, dass man sich nicht mehr um die nachfolgenden Generationen kümmern muss.

Hauptsache uns geht es gut. Carpe diem. Mit uns die Sintflut.
Tuvalu

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