Ein Kater namens Sidi Brahim

Nie mehr waschen!

Die eine Woche getragenen von meiner Mutter liebevoll gestrickten Wollsocken, die ich bei eBay eingestellt habe, weil ich zu faul bin, sie zu waschen, und zu grün, sie wegzuwerfen, laufen leider nicht besonders gut. Das einzige Angebot kam bis jetzt von einer chemischen Reinigung. Das war aber so nicht gemeint. Auch auf den abgekauten Fingernägeln und dem Ohrenschmalz bin ich sitzengeblieben. Komisch. Bei manchen Leuten läuft sowas ganz gut, bei mir überhaupt nicht.

Im Mittelalter, besonders in Europa, war ja sowas gang und gäbe. Es gab zwar noch kein eBay, aber dafür die katholische Kirche. Die hat ja so viele Fingernägel von Jesus versteigert, wie der gar nie getragen hat. Auch die Kreuznägel natürlich. Socken allerdings keine, weil Jesus bekanntermassen Birkenstöcke trug. Das Geschäftsmodell war gut. Erst sprach man einige verstorbene Christen heilig, dann zerlegte man sie in Einzelteile, mischte noch ein paar sterbliche Überreste von anderen Personen bei, unkenntlich gemachter Bauschutt tat es zur Not auch, um der Nachfrage gerecht werden zu können, und verscherbelte das. Es spielte keine Rolle, um was für Körperteile es sich
handelte: Knochen, Nabelschnur, Vorhaut (Jesus hatte offensichtlich auch mehrere Penisse!) – alles lief gut, und das Geld ging ja an die Kirche und nicht an die Himmels­vorsorge der Heiligen. So konnte man schöne grosse Kirchen bauen und gewann damals, wie heute eBay, die Kontrolle über alle Wertobjekte. Wenn man Überfluss an Heiligen hatte, liess man sogar mal einen ganz und stellte ihn zur allgemeinen Ergruselung in einer Kirche aus. Martin Luther hat dann dieses Geschäftsmodell mit seiner Kreuzallergie vorerst kaputtgemacht.

Heute funktioniert es aber wieder genau so gut. John Lennons Haarlocke wurde anfangs dieses Jahres für 35'000 Dollar versteigert. Es gibt aber auch Flops: Für Görings Unterhose rechnete man 25’000 Euro, sie lief aber für bloss 3’000. Wahrscheinlich war sie zu braun. Die Socken von Hitler gingen zwar weg, allerdings zu meinem Trost für bloss etwas über 500 Euro. Damit hätte ich aber immerhin geraume Zeit keine Socken mehr waschen müssen. Vielleicht sollte ich doch in die Politik gehen?

Aber auch Reliquien von noch lebenden Personen werden erfolgreich verscherbelt. Justin Biebers Milchglas konnte von einem Hotel für 73’000 Euro versteigert werden, notabene war es nicht einmal abgewaschen. Das Hotel hat sich jetzt eine neue Profi-
abwaschanlage dafür gekauft. Ausserdem soll ein Joint-Venture kurz vor dem Durchbruch stehen zwischen dem Bieber Justin und der Kuh Emma. Endlich bekennt er sich zu Wertarbeit!

Jetzt wirft man mir sicher vor, dass ich die Erfolgreichen mit Spott und Häme übergiesse, nur weil ich das selber nicht hinkriege. Stimmt nicht! Die Müllmarken kann ich mir schon seit geraumer Zeit sparen, da ich die Müllsäcke bei eBay einstelle und ihnen eine bestimmte Herkunft unterstelle, z.B. Jean Ziegler, Bastian Girod oder Abu Bakr al-Baghdadi. Sogar Osama Bin Laden läuft gut, obwohl der ja schon tot ist. Oder etwa nicht? Jedenfalls steigern diverse Geheimdienste überall fleissig mit.

Nur die Socken muss ich noch selber waschen. Halt: Jetzt sehe ich gerade, dass doch noch jemand meine Socken ersteigert hat: Meine Mutter. Wahrscheinlich ist sie zu faul zum Stricken.
Ariel

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