Ein Kater namens Sidi Brahim

Basar

Er kam mir gleich irgendwie verdächtig vor: Der Typ vor dem Migros mit der tief ins Gesicht geschobenen Schirmmütze, die eine Hand in der Tasche, mit der anderen hastig rauchend und nervös um sich blickend. Ich wollte mich mit dem Einkaufswagen unauffällig an ihm vorbeidrängeln, aber schon hielt er mich am Arm fest und raunte: «erste Qualität». «Wieviel?» fragte ich zurück. «25-fach». «Gut. Ich kann leider nur zweifelhafte Bezahlung bieten. 40 Prozent». Der Mann strahlte und schob mir seinen Gutschein für 25-fache Cumuluspunkte auf alle M-Selection-Produkte zu. Ich drückte ihm meinen Gutschein für 40% Rabatt auf alle Zweifel-Produkte in die Hand. Der Deal war perfekt!

Personalisierte Werbung ist ja etwas Praktisches – wenn sie funktioniert. Das tut sie leider nur beschränkt. Google weiss ja ganz viel über uns, aber leider nur das falsche. Larry Page ist eben nur ein Halbbildungsbürger – ihn interessiert mehr, was wir über seinen Suchdienst suchen, aber was wir mit dem Gefundenen anstellen, das ist ihm ziemlich schnurz. So kriege ich halt, weil ich für die hier vorliegenden Kolumnen gelegentlich auch mal auf Internet nach Halbfakten recherchiere, Werbung für chinesi­schen Mauerverputz, Führerunter­hosen, Spoilerentkalker, abhörsichere Kopfkissen und jod­haltiges Badesalz. Der Vorteil: Die Werbung kann ich getrost ignorieren oder vielleicht noch als Inspirationsquelle nutzen. Nicht weniger originell fällt die personalisierte Werbung aus, wenn ich den Suchdienst mal für alltäglich-praktische Dinge benutze: Nachdem ich einmal eine Hotelbuchung getätigt und kurz danach einen extra-starken Staubsauger aus Deutschland bestellt habe,
kriegte ich folgende Mail:

Nett gemeint, wir haben aber keinen Hund und wollen auch keinen mieten, wir haben nur Hausstaubmilben, die nicht so gerne verreisen, sondern sich lieber in unseren Teppich kuscheln. Das reicht uns als Hund, und die Miete ist auch billiger. Sorry Larry!

Und ein Kind haben wir, das mittlerweile 12 Jahre alt ist und abbezahlt. Trotzdem kriegte ich vor den Feiertagen in der Migros zusammen mit einer Handvoll Müllo-Mania einen personalisierten Rabattgutschein für «alle Windeln und Hautpflegeprodukte» geschenkt. Das Kind konnte nicht gemeint sein. Es pubertiert zurzeit noch aknefrei. Und es ist doch schon ein Weilchen her, dass ich es das letzte Mal gewickelt habe, und zumindest scheint es mir, dass das auch nicht mehr nötig sei. Ich selber bin mit 52 hoffentlich noch ein paar Jährchen davon entfernt, dass ich vor dem Einkaufen Windeln anziehen muss, um in der Gemüseabteilung der Migros keine feuchten Spuren zu hinterlassen, auf dem die nachfolgenden Rollatoren dann ausrutschen und deren Fahrer über die unreifen Gummitomaten abwerfen würden. Solche Gutscheine dienen ja vor allem der Prävention: Man weiss ja nie, ob die Tomatenhersteller danach Millionen­klagen einreichen, weil die Tomaten dann wieder nach was schmecken würden, nämlich nach Urin. Und wer will dann für sowas haften? Eben! Aber: Wie kommt die Migros darauf, dass wir Windeln benötigen? Mit Schrecken fiel mir ein: Manche Eltern sollen via Cumulus-Karte erfahren haben, dass sie Grosseltern werden. Aber auch diesen Verdacht konnte ich gottseidank ausräumen.

Windeln! Ich habe es dann rausgefunden: Die russisch-amerikanische zentrale Intelligenz-Agentur hatte beobachtet, dass ich wider alle Gewohnheit über die Festtage mehrere Liter
Milch in der Migros eingekauft habe (unser Milchmann hatte Ferien) und dass ich zudem 9 Monate zuvor eine Werbe-Mail für Potenz­mittel im Spamordner meiner Mailbox hatte:

Eigentlich hätte ich mir ja lieber einen Rabattgutschein für Mehl gewünscht, da ich Brot und Pizza backen wollten. Aber dass ich mich zu diesem Zweck durch das gesamte Mehlsortiment von Le-Shop durchgeklickt habe, hat die Migros wohl verschlafen. Google allerdings nicht – ich kriege jetzt immer häufiger mehr oder minder dubiose Angebote für weisse Pülverchen, nicht nur von Nestlé.

Nun, den Windelgutschein bin ich doch noch losgeworden: Beim nächsten Einkauf habe ich meine Nachbarin mit Kinderwagen getroffen. Sie hat mir für die Windeln ihren Mehlgutschein überlassen, da ihr Kind eh Zöliakie hat. Den Gutschein hat sie wohl gekriegt, weil sie sich im Internet für’s glutenfreie Backen interessiert hat. Auf die Idee bin ich nicht gekommen. Seither tauschen wir immer wieder mal Gutscheine, da wir beide immer die falschen kriegen: Milupa gegen Sheba, Shampoo gegen Haarwuchsmittel, Bepanthen Fudikrem gegen Rostschutzfarbe, festkochende Pantoffeln gegen russische Buletten.

Grad letzte Woche habe ich sie wieder getroffen. Sie hatte schon wieder einen Bauch, und die arme Kleine schrie wie am Spiess aus dem Kinderwagen, weil sie den Nuggi verloren hatte. Aus Mitleid schenkte ich ihr meinen Gutschein für «alle Gummiprodukte» ohne Gegenleistung. Den hatte ich wegen dem Kindergeburtstag gekriegt. Haribo macht Kinder froh. Und Erwachsene ebenso.
Cumulonimbus

>bilder
>home >archiv